Phobia: Thriller (German Edition)
für ihn da gewesen war, wenn auch nur viel zu kurz.
Inzwischen kannte Sarah also die Wahrheit über ihren Mann. Sie kannte noch nicht alles, aber auf jeden Fall das Wichtigste.
Er fragte sich, was nun in ihr vorgehen mochte. Sie musste wohl Ähnliches durchmachen wie er selbst, überlegte er. Denn war der Abschied von ihrem bisherigen Leben nicht auch so etwas wie Sterben?
Sicherlich hatte sie es zuerst nicht wahrhaben wollen, dass Stephen sie hintergangen hatte – so wie er die ersten Anzeichen seiner Krankheit zunächst ignoriert hatte. Sie würde es vor sich selbst abgestritten haben, wie sie es schon in der Vergangenheit getan hatte. Denn selbst als ihr klar geworden war, welcher Natur ihre Angst war, als ihr klar geworden war, dass sie sich vor dem Versagen fürchtete, hatte sie den wahren Grund vehement vor sich selbst verborgen.
Aber jetzt blieb ihr keine andere Wahl mehr, als das Unabänderliche zu akzeptieren – jetzt, wo es handfeste Beweise gab, die sie nicht mehr leugnen konnte. Ihre Ehe war unwiderruflich gescheitert. Jetzt musste sie begreifen, dass dies nicht ihre alleinige Schuld war.
Hier würde nun die Therapie greifen, die er sich für ihre Angst ausgedacht hatte. Sarahs Schuldgefühle und ihre Furcht, versagt zu haben, waren in Zorn umgeschlagen – auf sich selbst, aber vor allem auf ihn, den Unbekannten, der in ihr Leben eingedrungen war. So wie er es beabsichtigt hatte, denn dieser Zorn hatte sie angetrieben, alles Menschenmögliche zu unternehmen, die Dinge wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Jetzt hörte er sie sagen, dass sie aufgeben wollte. Und das bedeutete nichts anderes, als dass sie die Dinge so akzeptierte, wie sie tatsächlich waren.
Ja, nun starb sie. Und durch diesen Tod würde sie ein neues, besseres und vor allem ehrlicheres Leben beginnen können.
Bei diesem Gedanken musste er lächeln, ehe ihn ein plötzlicher Hustenanfall schüttelte. Erschrocken presste er sich die Hand vor den Mund und zog sich weiter in die Dunkelheit der Gasse zurück, vor Angst, dass Sarah oder ihr Freund ihn hören könnten.
Doch niemand kam, um nachzusehen. Sie waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Ihm war jämmerlich kalt, und die Schmerzen kehrten aus ihrem dunklen Versteck zurück. Ihre Vorhut attackierte bereits wieder seinen Kopf, und das Druckgefühl auf seiner Brust nahm erneut zu.
Nachdem er gehört hatte, wie Sarah ins Haus gegangen war, schluckte er noch zwei seiner Pillen und wartete, bis die Wirkung des Morphins einsetzte.
Wenig später straffte er sich und trat aus der Gasse hinaus auf die Straße. Er betrachtete Gwens Haus, sah die Schatten der beiden Kinder hinter einem der beleuchteten Vorhänge und nickte.
Es ist so weit , dachte er. Zeit für deine letzte große Lektion, Sarah Bridgewater. Die Lektion über den ewigen Kreislauf des Daseins. Schmerz, Tod und danach ein neues Leben.
70.
Mark konnte es Sarah nicht verdenken, dass sie resigniert hatte. Sie hatten geglaubt, es sei möglich, die Pläne dieses Mannes zu durchschauen – ja, vielleicht sogar ihm zuvorkommen zu können. Sie hatten geglaubt, es sei möglich, ihn zu überlisten, weil Sarah in Marks Fähigkeit vertraut hatte, sich in andere Menschen hineinzuversetzen.
Aber dieser Mann hatte sie eines Besseren belehrt. Die Spur, die er ihnen gelegt hatte – die Blumen und der Brief mit dem Foto –, hatte sie in eine Sackgasse geführt, und Mark war überzeugt, dass dies einzig und allein dem Zweck gedient hatte, Sarah noch tiefer in Angst und Verzweiflung zu stürzen.
Mark hatte Sarah nicht helfen können. Ebenso wie er Tanja nicht hatte helfen können. Er war nicht in der Lage gewesen, Tanjas Mörder aufzuspüren, und auch in Sarahs Fall hatte er versagt.
Er verlangsamte seinen Schritt. Wieder verspürte er das dringende Verlangen nach Alkohol, nach etwas Brennendem in seiner Kehle, mit dem er seinen Verstand betäuben konnte. Er ertrug den Gedanken nicht, dass es Sarah nun ebenso ergehen sollte wie ihm. Dass ein Unbekannter wie aus dem Nichts erschien und ihr Leben zerstörte, nur um daraufhin wieder zu verschwinden und sie mit all den quälenden Fragen zurückzulassen, auf die sie keine Antworten erhalten würde.
Irgendwann würde sie ebenfalls daran zerbrechen, das wusste er. Vielleicht würde es länger dauern als bei ihm, vielleicht würde ihr Harveys Gegenwart noch für eine Weile Kraft und Trost spenden, aber letztlich würde es sich nicht vermeiden lassen. Dafür waren sie sich viel zu
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