Phobia: Thriller (German Edition)
Bahnsteig, dann wiegte er abschätzend den Kopf. »Aber wenn, bleibt ihm nicht mehr viel Zeit. Er ist zwar zäh, aber wahrscheinlich nicht zäh genug.«
»Dann sagen Sie mir, wo er ist!« Wieder tat Mark einen Schritt nach vorn, doch diesmal wich Hiob vor ihm zurück. »Deswegen sind Sie mir doch gefolgt, oder? Weil Sie mit mir reden wollen. Also gut, dann reden Sie! Denken Sie denn nicht, es ist allmählich genug?«
Hiob musterte Mark, wie um ihn einzuschätzen. Schließlich nickte er, langsam und bedächtig, als habe er sich seine Meinung über Mark gebildet.
»Sehen Sie, Mark, ich bin aus zweierlei Gründen hier. Zum einen möchte ich, dass Sie mich sehen . Um Sarahs willen, damit die Polizei versteht, dass sie nichts Unrechtes getan hat.«
»Sagen Sie es ihnen doch selbst. Wozu brauchen Sie mich dafür? Stellen Sie sich. Machen Sie diesem ganzen Theater ein Ende.«
Hiob rümpfte abfällig die Nase. »Sie wissen noch nicht alles, Mark, also hören Sie mir lieber zu. Ich verlange nicht viel von Ihnen. Sie sollen nur bezeugen, dass es mich gibt, und dass ich tatsächlich der Einzige bin, der Stephen Bridgewaters gegenwärtigen Aufenthaltsort kennt.«
»Okay, wenn Ihnen Sarah wirklich so sehr am Herzen liegt, dann sagen Sie es mir. Wo ist Stephen?«
Wieder huschte ein Lächeln über Hiobs Gesicht, das Mark nicht deuten konnte. Vielleicht lag es daran, dass der Mann unter Drogen stand. Oder dass ihn diese Unterhaltung auf eine gewisse Weise mit Genugtuung erfüllte. Hatte Hiob auf diesen Augenblick vielleicht nur gewartet?
»Es gibt ein Sprichwort«, sagte er. »Bestimmt kennen Sie es. Gottes Mühlen mahlen langsam. Ich habe lange darüber nachgedacht und bin zu einem Schluss gelangt.« Er machte eine bedeutsame Pause, ehe er weitersprach. »Dieses Mahlen kann manchmal ein ganzes Jahrtausend dauern. Merken Sie sich das, Mark. Sie sollten es nie vergessen. Denn mehr werde ich Ihnen dazu nicht sagen.«
Noch immer begriff Mark nicht, worauf dieser Mann hinauswollte. Was bezweckte er mit dieser Unterhaltung?
»Was soll das, Hiob? Warum tun Sie das alles?«
Nun bedachte ihn der Unbekannte mit einem Blick, als sähe er auf ein begriffsstutziges Kind herab. »Das sollten Sie sich inzwischen denken können. Stephen hatte es verdient, Mark. Er und diese Schlampe. Aber vor allem er. Er hat eine wunderbare Familie, er ist gesund und beruflich erfolgreich. Wie kann ein Mann all das aufs Spiel setzen? So etwas musste doch bestraft werden.«
Noch immer waren sie allein auf dem Bahnsteig. Mark dachte an sein Handy. Es steckte in der Brusttasche seiner Jacke. Er sollte die Polizei verständigen, diesen Detective Inspector Blake. Aber noch zögerte er.
Er wisse noch nicht alles, hatte dieser Hiob gesagt, und er wirkte so entschlossen. Er führte noch etwas im Schilde, und wahrscheinlich würde er einfach alles abstreiten, wenn Mark jetzt die Polizei riefe. Stephens Kleidung allein war kein Beweis. Der Unbekannte konnte sie ebenso gut irgendwo gefunden haben. Und wenn Stephen wirklich noch am Leben war und seine Zeit ablief, so wie es dieser Hiob behauptete, wäre es besser, wenn er ihn überzeugen könnte, ihm Stephens Aufenthaltsort zu verraten.
»Ja, Stephen scheint in der Tat einen Fehler begangen zu haben«, sagte Mark. »Darin stimme ich völlig mit Ihnen überein. Aber wer gibt Ihnen das Recht dazu, darüber zu urteilen?«
Hiob beugte sich leicht zu ihm vor, damit Mark ihm besser ins Gesicht sehen konnte. Das Gesicht war entsetzlich entstellt. Diese Brandnarben musste er schon seit Jahren mit sich herumtragen. Sie sahen nicht verwachsen aus, was darauf schließen ließ, dass Hiob sie sich als Erwachsener zugezogen hatte.
»Wer mir das Recht dazu gibt?«, wiederholte er. »Der Tod, Mark. Ich mache vom Recht der Sterbenden Gebrauch. Was für einen Sinn sollte der Tod sonst haben, wenn die Lebenden nicht daraus lernen?«
Mark schüttelte den Kopf. »Deshalb tun Sie Sarah das an? Sie bestrafen Sarah und ihre Familie, weil Sie krank sind und bald sterben werden? Wollen Sie dadurch auf sich aufmerksam machen? Denken Sie wirklich, Sie sind so wichtig?«
Hiob wich zurück und schüttelte energisch den Kopf. »Nein, Mark, Sie missverstehen das! Ich selbst spiele keine Rolle. Ich bin nur derjenige, der den beiden den Spiegel vor Augen hält. Sarah und Stephen haben sich selbst in diese Lage gebracht. Stephen mit seiner hirnlosen Affäre, und Sarah, die sich wider besseres Wissen in ihr Schneckenhaus zurückgezogen hat.
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