Phobia: Thriller (German Edition)
Schein eines großen Flachbildschirms wirkten Stephen Bridgewaters Züge bleich und verzerrt, und er konnte die Schweißperlen auf seiner Stirn funkeln sehen.
Er trat neben ihn und fühlte seinen Puls. Schwach, aber konstant.
Dann kontrollierte er seine Handgelenke. Stephen hatte sie sich an den Fesseln wund gescheuert. In der ersten Zeit hatte er noch mit aller Kraft gekämpft, um sich zu befreien, doch inzwischen war er zu geschwächt und hatte aufgegeben. Die Wunden begannen zu verkrusten.
Er trat hinter den Stuhl und löste das Klebeband. Zuerst den langen Streifen, mit dem er Stephens Kopf fixiert hatte, und dann den zweiten von Stephens Mund.
Stephens Kopf fiel nach vorn. Er keuchte. Dann sah er zu ihm auf, verzog das Gesicht zu einer schmerzhaften Grimasse und bewegte die gerissenen Lippen, doch es kam kein Laut aus seinem Mund.
Er trat vor ihn und betrachtete Stephen für einen Moment. Stephen sah erbärmlich aus. Sein Gesicht war blass und eingefallen, und er stank nach Exkrementen.
»Stephen, Stephen«, sagte er kopfschüttelnd und holte einen Eimer Wasser, der auf einem rostigen Blechwaschbecken stand. Er schüttete ihn über Stephens Schoß aus, um Kot und Urin fortzuspülen.
Stephen starrte zwischen seine Beine und schnappte nach Luft, dann hob er den Kopf und versuchte erneut zu sprechen. Es musste ihm enorme Kraft abverlangen, aber schließlich glückte ihm ein einzelnes Wort. Ein schwaches, krächzendes: »Bitte …«
»Bitte was?«, sagte er und sah Stephen verächtlich an.
»Ich … habe … einen kleinen Sohn …«
»O ja, ich weiß, und es freut mich, dass du dich wieder an Harvey erinnerst. Du hast auch eine Frau, eine wunderbare Frau. Erinnerst du dich? Sie heißt Sarah. Du hast sie betrogen. Also appelliere nicht an mein Mitgefühl. Das hast du wohl kaum verdient.«
Aus Stephens Kehle drangen unartikulierte Laute, dann sackte sein Kopf nach vorn auf die Brust. Er packte ihn am Kinn und hob ihn an, damit Stephen ihm in die Augen sah.
»Weißt du eigentlich, warum du hier bist? Weißt du, warum ich das alles für dich tue?«
Wieder bewegte Stephen Bridgewater nur stumm die Lippen.
»Du hast deine Lektion noch nicht gelernt, fürchte ich.« Er schüttelte wieder den Kopf. »Dabei sind wir fast am Ende angelangt.«
Er sah Stephen für eine Weile tief in die Augen, las seine Angst in ihnen. Und vielleicht auch einen Anflug von Reue. Zumindest hoffte er das.
»Also gut, bringen wir es hinter uns«, sagte er schließlich und ging zurück zum Eingang der Halle.
Neben der offenen Stahltür stand ein Infusionsständer. Es war ein ausrangiertes Modell, das Jay ihm einst auf einem Flohmarkt besorgt hatte. Die Rollen quietschten, als er ihn neben den Stuhl schob, an den Stephen gefesselt war.
Dann hängte er den Infusionsbeutel an den Haken und ließ den dünnen Plastikschlauch herabbaumeln.
»Ich habe alles getan, was ich konnte, Stephen«, sagte er und kniete sich vor ihn. »Leider wissen die meisten ihr Leben erst dann zu schätzen, wenn es zu Ende geht. Die Menschen jammern ständig über Nichtigkeiten. Sie sind immer unzufrieden. Sie streben nach Wohlstand und können den Hals nicht vollkriegen, und selbst wenn sie fett und gemästet sind, beschweren sie sich immer noch, dass andere vielleicht ein wenig mehr als sie abbekommen haben. Sie alle übersehen, was wirklich von Bedeutung ist. Jeder einzelne Tag ist ein Geschenk, aber nur die wenigsten begreifen das. Sie treten ihr Glück mit Füßen, weil sie es nicht erkennen. So wie du, Stephen.«
Er schob den Ärmel von Stephens Hemd zurück und setzte die Kanüle an einer der hervorgetretenen Venen seiner ausgemergelten Arme an.
Stephen wehrte sich, aber er war zu schwach.
»Halt ruhig, dann tut es nicht weh.«
Er sah zu Stephen auf, der einen wimmernden Laut von sich gab, als die Nadel in seine Vene drang. Dann befestigte er den Schlauch daran, erhob sich und öffnete den Zweiwegehahn. Er regelte den Zufluss auf ein Minimum.
»So bleibt dir mehr Zeit«, sagte er und drückte erneut einen Streifen Klebeband auf Stephens Mund. »Mehr Zeit, um über das nachzudenken, was du getan hast.«
Dann fixierte er Stephens Kopf wieder an der Stuhllehne, sodass er wie zuvor geradeaus auf den Bildschirm sah. Stephen blinzelte. Tränen rannen über sein Gesicht.
»Sieh genau hin«, raunte er ihm zu. »Sieh hin und verstehe.«
Er wandte sich von Stephen ab, ging zurück zur Tür und sah sich noch einmal um.
»Leb wohl, Stephen Bridgewater«,
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