Phön - Tränen der Götter (Die Phön Saga) (German Edition)
gerissen. Mein Kopf... wo bin ich?
Rund um ihn herum waren harte, kahle Felswände. Als er die Hände auf den Boden stemmte, bemerkte er einen Haufen Stroh, auf den er wohl ziemlich unsanft geworfen wurde, was einige Blessuren an seinen Unterarmen bestätigten. Erst langsam begriff er, dass er dieses Mal nicht einfach so davon gekommen war und dass die Stadtwachen des Königs ihn gleich in den Kerker geworfen hatten. Verdammt! Picardo hüpfte mit einem Satz nach oben, landete auf seinen Beinen und blickte sich um. Es war feucht hier unten und Picardo fröstelte. Er rieb sich die Arme.
Plötzlich ertönte eine Stimme vom anderen Ende des Kerkers. »Na Junge? Hast was ausgefressen?« Aus dem Schatten trat eine dürre Figur mit schulterlangen, fettigen, schwarzen Haaren. Es war ein junger Mann, der nun die Arme vor der Brust verschränkte und Picardo von allen Seiten musterte. Er trug ein beiges, schmutziges Hemd, geschnürte Lederhosen und wirkte schäbig und ausgemergelt.
»Interessant, ein Waschbärjunge in meinem Kerker, ich...«, er stockte mitten im Satz. Seine Augen weiteten sich.
»Was?!« Picardo wusste nicht, was das zu bedeuten hatte.
»Schicken Anhänger trägst du da um deinen Hals«, bemerkte der Mann mit dunkler Stimme. Die, von einem abgewetzten Lederhandschuh bedeckten Hände des Fremden streckten sich nach dem tropfenförmigen Amulett, das Picardo um den Hals trug. Sofort wich er einen Schritt zurück. »Hey, Finger weg!«, befahl er mit entschlossener Stimme.
»Wow, nicht so garstig mein Lieber! Ich tu dir nichts!« Nicht jetzt.
Der Fremde grinste und strich sich die sehnigen Haare aus dem Gesicht, sodass eine lange Narbe zum Vorschein kam, die sich quer über sein Gesicht zog.
»Wie wäre es, wenn wir uns zuerst einmal bekannt machen?« Der junge Mann schritt langsam auf Picardo zu und reichte ihm seine Hand. »Lucius ist mein Name«, stellte er sich vor. Er hatte eine ruhige aber doch raue, tiefe Stimme. Widerwillig streckte Picardo ihm seine rechte Hand entgegen und umklammerte mit der linken seinen Halsschmuck. Noch während er Lucius' Hand schüttelte, steckte er das Amulett unter sein schmutziges Hemd.
»Picardo Wilkin«, sagte er schließlich.
Lucius ließ Picardos Hand los und ging wieder zurück in seine Ecke. Er war schon im Schatten verschwunden, als er sich erneut zu dem Jungen wendete.
»Mach's dir gemütlich Kleiner, wir werden noch eine lange Zeit hier verbringen.«
Einige Stockwerke weiter oben, im Erdgeschoss des Schlosses, hatte Zalea von Archadis mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Frau Dreiwasser schritt auf die Prinzessin zu und streckte ihr ihren Zeigestock mitten ins Auge... so hätte es geschehen können, wäre die Prinzessin nicht rechtzeitig ausgewichen. »Du bist also Prinzessin Zalea?«, fragte sie wissend.
»Ich sehe hier keine andere Prinzessin in der Nähe!«, spottete Lea. Die Lehrerin ignorierte diese Anspielung und wartete geduldig auf eine Antwort. »Ja«, seufzte die Prinzessin schließlich. Und nimm deinen Stock aus meinem Auge, du dumme Nuss.
»Na, mein Mädchen, dir werde ich schon noch Manieren beibringen!« Die Lehrerin drehte sich um und blickte den König an. »Führt uns ins Lernzimmer, Majestät!«, schnaufte sie und blickte hochnäsig.
»Mit dem größten Vergnügen, Frau Dreiwasser«, erwiderte der König und lief voraus. Trotzig folgte Lea den beiden, schaute aus einem Fenster des Palastes und erblickte General Munzheim, der wie jeden Tag vor dem Schloss seine Runden drehte. Seit Jahren schon war er ein enger Freund der Prinzessin, er war einer der wenigen, denen Lea ihr Vertrauen schenkte. Wie immer trug er seine dunkelblaue Uniform, die weinrote Hose und den Helm des Generals, den er seit seiner Beförderung nicht einmal zum Schlafen abnahm. Sie winkte ihm zu, aber er schien sie nicht zu bemerken.
Einige Treppenstufen und Gänge später, waren die drei vor dem eigens eingerichteten Lernzimmer angekommen.
»So, da wären wir. Ich wünsche gutes Gelingen«, sagte König Barthas und stieß die Tür eines großen Zimmers auf, in das er persönlich eine Tafel gehängt hatte. Dann schritt er zurück in den Gang, aber nicht ohne Lea noch einen tadelnden Blick zukommen zu lassen. »Bitte benimm dich, Kind!«, flüsterte er.
Kapitel 2
Hell und Dunkel, auf immer vereint.
Schatten und Licht, auf ewige Zeit.
Tag 13, Jahresanfang 358 n. E.
Archadis, Königliches Schloss
»Schon Heimweh, Kleiner?« Lucius setzte sich auf das feuchte Stroh
Weitere Kostenlose Bücher