Phoenice wechselt die Seiten (German Edition)
„Folge dem Priester und quassel nicht soviel!“ zischte ihr der Maskierte verärgert zu. Ihre rotgoldene Robe führte sie von den anderen Gruppen weg, hinaus auf das Feld. An einem Platz, der ihr geeignet erschien, forderte sie ihre Gefolgsleute auf, sich zu setzen. In einem großen Halbkreis um die noble Gestalt herum knieten sie sich auf die Rasenfläche.
„ Ihr könnt die Kapuzen abnehmen.“ Der Priester verzichtete auf das übliche Flüstern, sondern sprach mit kräftiger Stimme. Der Reihe nach nahmen sie die schwarzen Spitzen ab. Verschwitzte Haare kamen zum Vorschein.
„ Und jetzt die Masken“, befahl er. Carmen und Trix zögerten, doch Phoenice folgte und hieß ihnen, dasselbe zu tun. Sie legten, genauso wie alle anderen, ihre weißen Masken vor sich hin. Viele rieben sich verstohlen die erhitzten Wangen. Der Priester selbst nahm nur seine weiße Kapuze ab.
'Wie geschickt' fuhr es Phoenice durch den Sinn. 'Sie schützen sich sogar vor ihren eigenen Anhängern.'
Trix blickte unsicher im Halbkreis umher. Manche wechselten in den bequemeren Schneidersitz, verharrten dann jedoch wieder regungslos.
„ Ihr seid gekommen, um eine Aufgabe zu erfüllen!“, erklang die Stimme des schwarz maskierten Priesters. Er sprach langsam und kräftig. Phoenice sandte ein Stoßgebet nach oben, dass er keine lange Predigt halten möge. Trix würde nach einigen Minuten unweigerlich einschlafen.
„ Diese Aufgabe wird euch einiges abverlangen. Sie wird belastend sein. Nicht nur für euren Körper sondern für auch eure Seele.“ Phoenice nickte, wie einige andere Sitzenden auch. Sie musste vielleicht gegen Peterle und den anderen Mann aus dem Versorgungszelt kämpfen. Beide hatten ihr bis jetzt nur Gutes getan. Sie war dabei, die blonde, hilfsbereite Frau zu verraten, der sie den Verband an ihrem Handteller verdankte. Sie seufzte.
„ Ja, euer Opfer ist dringend notwendig“ Opfer? Bevor Phoenice den beängstigenden Gedanken weiterdenken konnte, fuhr er mit tiefer, väterlicher Stimme fort. Noch hatte sie nicht ernsthaft daran gedacht, dass ihr etwas zustoßen könnte, von der einen oder – noch schlimmer – von ihrer eigenen Seite. Langsam verschwamm die Gewissheit, welche das sein würde.
Endlich sprach er weiter und unterbrach damit ihre wirren Gedanken.
„Diejenigen, die euch das angetan haben, befinden sich hinter den Mauern.“
'Nein!', protestierte etwas in ihrem Kopf, 'sie stehen vor uns!' Phoenice bekam Kopfschmerzen bei den Gedanken, wer wem hinter welchen Mauern etwas antun wollte. Zum Glück sprach der Priester weiter, lauter als zuvor: „Zerreißt sie, so wie sie eure Seele zerrissen haben. Zerfetzt sie, so wie sie eure Seele zerfetzt haben!“
Er breitete die Hände aus, wodurch seine Stimme noch kraftvoller wirkte. „Euer Vorteil ist, dass ihr eine Seele habt. Die Bestien, die derzeit noch in ihrem Bau gefangen sind, kennen so etwas nicht. Sie beneiden euch darum. Dennoch wird es einige unter euch geben, ...“ dabei zeigte er reihum auf jeden einzelnen, „die bei jedem Totschlagen eines Teufels etwas empfinden werden. Ich sage euch ...“
'Woher kenne ich diese Worte bloß?'
„ihr braucht nichts zu empfinden; kein Mitleid, keine Schuld, keinen Ekel, nichts. Ihr seid die Speerspitze in Gottes Köcher. Bald werdet ihr in seine heilige Hand genommen und seinem gerechten Wurf die nötige Kraft geben. Die Seele wird erst durch viele, viele Würfe so hart wie das Metall des Speeres.“
Trix setzte zu einem Gähnen an, konnte sich jedoch gerade noch beherrschen. Stolz grinste sie Phoenice an, als ob sie eine Meisterleistung erbracht hätte.
„Was keine Seele hat, kann in Gottes Welt nicht bestehen. Es verschmutzt sie. Gott braucht die Kraft eurer Seelen, um seine Schöpfung rein zu halten. Er braucht die Gärtner, die das Unkraut entfernen.“
Phoenice konnte es Trix nicht verübeln, einschlafen zu wollen. Das war ja nicht auszuhalten.
„Lasst uns daher für eure Seelen beten, dass sie unbarmherzig, und unempfindsam gegen die Einflüsterungen dieser Welt werden. Verbindet euch miteinander, reicht euch die Hände.“ Jede weiße Robe breitete ihre Arme zur rechten und zu linken aus, um die Hand oder Fingerspitzen des Nachbarn zu spüren. „Beten wir für eure Seelen, auf dass sie ihr Ziel treffen mögen!“ Die sitzenden Gestalten begannen zu singen: Sie dehnten ein „A“, bis Phoenice und Carmen unwillkürlich mitbrummten. Der Vokal wurde nahtlos zu einem „U“, danach zu einem
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