Phoenice wechselt die Seiten (German Edition)
„Nein, die wird nicht gefüttert!“, wehrte Phoenice ab. Die Verkäuferin ließ nicht locker. Mit dem Keks in der Hand wedelnd, fragte sie: „Warum denn nicht? Die sieht doch so brav aus.“ Phoenice wollte sich auf die Diskussion gar nicht einlassen und drehte sich zu den Zeitungen um. Bevor sie jedoch eine der Überschriften erfassen konnte, reichte ihr die Trafikantin den Keks. „Ich verstehe, das ist die Erziehung, dann geben Sie ihm das.“ Dahne hatte gewonnen. Mit einem „Gib Laut“, dass sie mit einem zweimaligen Bellen beantwortete, durfte sie sich ihren Keks verdienen. Die Hündin und die Trafikantin waren begeistert.
Endlich konnte sich Phoenice die Zeitungsberichte näher ansehen. „Metaphysisch nicht erklärbares Phänomen“ lautete die Unterüberschrift einer Tageszeitung. Es folgte ein Kurzbericht, der nur wenig mit den Ereignissen auf dem Festival gemeinsam hatte. „Prediger verbrennt nicht“ stand auf dem Konkurrenzblatt. Unter dem Titel „Wunder erlebt?“ veröffentlichte ein anderes ein Interview mit einer Speerspitze. Die Sektenanhängerin sah sich als Zeugin einer religiösen Erscheinung, sie bezeichnete ihre Verhaftung als ein Teufelswerk, für dass sich die Himmelsgeschöpfe furchtbar rächen werden. Phoenice konnte ein Lachen nicht unterdrücken. Sie zeigte Trix den Artikel.
„Der ist um nichts besser“, entgegnete diese. Sie hielt ihr ein Titelblatt hin, auf dem stand: „Endlich geschafft – Spirituelle Kraft besiegt Feuer“ Darunter wurden Baal alle möglichen magischen Kräfte zugeschrieben, über die er vermutlich selbst gestaunt hätte. Eine andere Zeitung versuchte sich an einer parapsychologischen Erklärung: „Seine Seele verließ seinen Körper und entflammte ihn, ohne ihm zu schaden.“ Ein Boulevardblatt strapazierte die Physik und erklärte seinen Lesern in kurzen Sätzen, warum man kaltes Feuer nicht zum Kochen verwenden kann. Sogar Phoenices bescheidene naturwissenschaftliche Kenntnisse sträubten sich gegen die Aussagen des Artikels. Ein esoterisch angehauchtes Blatt wagte sich zu der Behauptung vor, dass die Spannung in der Luft, ausgelöst durch den unauflösbaren Zwiespalt zwischen offen ausgelebter Homosexualität und religiösem Fanatismus zur Entladung der spirituellen Elektrizität geführt habe, gegen die der Anführer der Sekte aus diversen Gründen immun gewesen sei. „Ah ja“, konstatierte Trix.
„ Woher wissen die eigentlich davon“, fragte Phoenice, „waren denn so viele Journalisten dabei?“ „Wohl eher nicht, aber irgendwie scheinen sie Wind davon bekommen zu haben, dass der Typ eine Ewigkeit nicht verbrannt ist. Und dann haben sie irgendetwas dazu erfunden. Hast du nicht einmal in einer Redaktion gearbeitet, bevor zu uns gekommen bist?“
„ So schlimm waren wir nicht!“, protestierte Phoenice, „Außerdem …., und überhaupt haben wir einen Termin mit Roman!“
Zur Freude der Trafikantin durfte Dahne einen weiteren Keks fressen, danach verabschiedeten sie sich. „Komm bald wieder!“ rief sie ihnen hinterher. Trix schaute skeptisch. Wenn alle ihre Besucher soviel kauften wie sie, würde sie bald zusperren müssen. Phoenice fing ihren belustigten Blick auf. „Die hat mit Dahne gesprochen.“
Auf dem Revier tummelten sich viele Leute. Die meisten verließen das Gebäude. Phoenice beneidete Roman nicht um seine Arbeit. Von allen Festivalbesuchern und Sektenmitgliedern Aussagen notieren zu müssen, stellte sie sich auf Dauer ziemlich ermüdend vor. Die Polizei hatte nicht alle Zeugen gleichzeitig ins Revier gebeten. Soviel Platz boten die Räume nicht. Für heute schienen sie die letzten zu sein, die befragt wurden. Phoenice bezweifelte, dass damit die Ermittlungsarbeiten bereits abgeschlossen waren.
Dahne kannte das Gebäude bereits. Vor einem Jahr, als sie einem illegalen Tierversuchslabor auf die Schliche kamen, hatte sie Phoenice bereits mitgenommen. Dennoch roch es diesmal anders. Viele verschiedene Gerüche interessierten sie. An der Leine zerrte sie Phoenice in alle Richtungen, bis diese genug davon hatte und ihr das Kommando gab, neben ihr zu gehen.
Roman ließ sie nicht lange am Gang warten. „Kommt in mein Büro“, lud er sie ein. Dan wartete dort bereits auf sie. Kaum hatten sie sich gesetzt, stellte Trix die Frage, die ihr am meisten am Herzen lag: „Warum ist Baal nicht verbrannt?“
Der Polizeikommissar sah müde aus. Er schien sich intensiv, auf Kosten seiner Nachtruhe, mit dem Fall
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