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Phönix

Phönix

Titel: Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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könntest auf einen Baum klettern?«
    Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen. »Kann sein.«
    »So würdest du keine Spuren hinterlassen.«
    »Wenn sie aber eine Spur hierherführen sehen und nicht wieder weg, werden sie dann keine Fragen stellen?«
    »Wahrscheinlich schon.«
    »Und?«
    »Ich werde ihnen antworten.«
    Ich sah ihn prüfend an. »Was meinst du, Loiosh?«
    »Hört sich an, als wäre das unser bester Ausweg.«
    »Tja.«
    Tatsächlich konnte ich auf einen Baum klettern. Zwar tat es höllisch weh, aber davon abgesehen hatte ich keine Schwierigkeiten. Als ich Geräusche von unten hörte, blieb ich, wo ich war, und Loiosh warnte mich im gleichen Augenblick. Ich konnte den Boden nicht sehen, was mir einigermaßen berechtigte Hoffnung machte, daß sie mich ebensowenig sehen konnten. Es war windstill, und der Qualm vom Feuer stieg mir ins Gesicht. Solange er mich nicht zum Husten brachte, würde auch er mich verbergen.
    »Einen guten Tag«, sagte eine Männerstimme wie ein brünstiger Grauschwan.
    »Ebenfalls«, antwortete Aibynn. Ich konnte alles gut verstehen. Dann hörte ich ihn trommeln.
    »Entschuldigung –«, sagte Grauschwan.
    »Wofür denn?« fragte Aibynn.
    »Ich meine für die Störung.«
    »Ach so. Ihr habt mich nicht gestört.«
    Mehr Trommeln. Ich wollte loslachen, verkniff es mir aber.
    »Wir suchen einen Fremden. Einen Zwerg.«
    Das Trommeln brach ab. »Versucht es mal auf dem Festland.«
    Grauschwan machte ein Geräusch, das ich nicht einschätzen konnte, und seine Begleiter murmelten etwas, das ich nicht verstand. Dann sagte jemand, eine Frau, deren Stimme so tief war wie der Ruf einer Moschuseule: »Wir verfolgen ihn. Wie lange bist du schon hier?«
    »Schon mein ganzes Leben«, erwiderte Aibynn mit einer Spur Trauer.
    »Heute, du Idiot!« rief Grauschwan.
    »Aber sicher«, stimmte mein Freund zu.
    Ein anderer, ein Mann, dessen Stimme wie die eines Mannes klang, sagte: »Seine Spur führt hierher. Hast du ihn gesehen?«
    »Vielleicht habe ich ihn übersehen«, sagte Aibynn. »Ich stimme meine Trommel, wißt ihr, und das erfordert Konzentration.«
    Grauschwan fragte: »Soll das heißen, er hätte direkt an dir vorbeilaufen können? Kril und Sandi, schaut euch um. Sucht nach Spuren, die von hier fortführen.« Darauf hörte ich Schritte in der Nähe des Baumstammes. Ich blieb vollkommen reglos und fächelte mir nicht einmal mehr den Rauch aus dem Gesicht; viel war es eh nicht.
    Aibynn sagte: »Dieser Teil des Trommelstimmens ist äußerst schwierig. Ich muß –«
    Moschuseule unterbrach: »Du bist Aibynn von Niederdach, nicht wahr?«
    »Derselbe, ja.«
    »Ich habe dich auf dem Winterfest trommeln hören. Du bist sehr gut.«
    »Vielen Dank.«
    »Ist das eine neue Trommel, die du da machst?«
    Grauschwan: »Wir haben keine Zeit für –«
    Aibynn: »Allerdings. Das hier ist die Schale der Süßen Venusmuschel. Das Fell ist aus der Haut der Nüthe, einer so großen, wie man nur finden kann. Der Schlegel besteht aus ihrem Kieferknochen, den man in Nüthenfell und Stoff wickelt. Um das Fell vorzubereiten, entfacht man ein Feuer mit Langholz, in das man verschiedene Zusätze gibt, nämlich Rotnußschalen, Schwämmkraut, Nelke, Traumgras, Seidenknospen, die Wurzeln der Fallranke –«
    Eine andere Stimme, die eines Mannes, den ich vorher nicht gehört hatte, sagte: »Nichts. Er muß hier irgendwo sein.«
    Aibynn fuhr fort: »Diese hier ist fast fertig. Ich stimme sie gerade. Man kann die Tonhöhe auch beim Spielen ändern. Diesen Knopf hier, seht hier, halte ich mit links, und wenn ich ihn so herum drehe, wird das Fell stärker gespannt, und der Ton wird höher. So herum wird er tiefer.« Er führte es vor.
    »Verstehe«, sagte Moschuseule.
    Grauschwan sagte: »Jetzt paß mal auf, dieser Zwerg hat vier der königlichen Wachen getötet, und wir haben allen Grund zu der Annahme, daß –«
    Aibynn spielte weiter vor. Der Klang der Trommel war ein einziges, sanftes Schwingen, aus dem sich Rhythmen ergaben. Mir fiel ein merkwürdiger, süßlicher Duft auf, wahrscheinlich von dem Zeug, mit dem er das Trommelfell behandelt hatte. Die Schwingungen wurden immer komplexer, und ich konnte langsam einzelne Schläge darin hören und vernahm die unterschiedlichen Klangvariationen deutlicher. Der süßliche Duft wurde stärker. Während Aibynn spielte, sagte er: »Man muß die Trommel einige Stunden lang spielen, nachdem sie durchgezogen hat, damit das Fell sich in die Muschel arbeiten kann.« Seine Stimme

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