Phönix
dem linken Arm hielt er ein seltsames, rundes Ding von vielleicht einem halben Meter Durchmesser. »Es ist eine Trommel, Boß. Siehst du das Fell darauf?«
»Ja. Ist wohl aus einer Muschel gemacht. Ich nehme an, er ist harmlos. Wir können ihn um Hilfe bitten oder ihn umlegen. Sonst noch Vorschläge?«
»Boß, ich glaube nicht, daß du es in deinem Zustand mit ihm aufnehmen kannst.«
»Wenn ich ihn mir schnappen kann, solange er es nicht erwartet –«
Der Fremde hielt inne, ziemlich abrupt, und nahm uns ins Visier. Er schaute auf die Trommel hinab und verstellte eine der ledernen Kordeln, die auf das Fell genäht waren und anscheinend um die gesamte Trommel reichten. Er schlug sachte mit einer Art Schlegel auf das Fell, was einen vollen, überraschend melodischen Ton erzeugte. Er runzelte die Stirn, machte sich an einer weiteren Kordel zu schaffen, schlug erneut auf das Fell und wirkte zufrieden. Mir war zwischen beiden Tönen kein Unterschied aufgefallen.
»Guten Tag«, brachte ich heraus.
Er nickte und lächelte mir abwesend zu. Er sah Loiosh an, dann wieder seine Trommel. Danach schlug er erneut darauf, sehr leicht und dann lauter.
»Klingt gut«, wagte ich mit stoßweisem Atem zu sagen.
Seine Augen wurden größer, doch dieser Ausdruck bedeutete anscheinend etwas anderes als Überraschung. Keine Ahnung, was. Er sprach zum erstenmal mit ruhiger, ziemlich hoher Stimme. »Kommst du vom Festland?«
»Ja. Wir sind zu Besuch.« Er nickte. Ich suchte nach einem anderen Gesprächsthema, während ich mir überlegte, was ich tun sollte. Ich fragte: »Wie nennst du dieses Gerät?«
»Hier auf der Insel«, erklärte er, »nennen wir so etwas Trommel .«
»Ein guter Name«, gab ich zurück. Dann strauchelte ich ein paar Schritte vorwärts und brach zusammen.
Ich sah Baumwipfel, die sich im sanften Wind wiegten. Es roch nach Morgen, und alles tat mir weh.
»Boß?«
»He, Kumpel. Wo sind wir?«
»Noch hier. Bei diesem Trommler. Kannst du wieder essen?«
»Trommler? Ach, richtig. Ich erinnere mich. Was meinst du mit ›wieder‹?«
»Er hat dich dreimal gefüttert seit deinem Zusammenbruch. Weißt du nicht mehr?«
Ich überlegte und mußte verneinen. »Wie lange sind wir schon hier?«
»Etwas über einen Tag.«
»Oh. Sie haben uns nicht gefunden?«
»Keiner ist uns nahe gekommen.«
»Komisch. Ich hätte gedacht, ich habe einen Pfad hinterlassen, dem selbst eine Jhegaalalarve würde folgen können.«
»Vielleicht haben sie die Leichen nicht entdeckt.«
»Das wird nicht lange so bleiben. Wir sollten sehen, daß wir weiterkommen.«
Ich setzte mich langsam auf. Der Trommler sah mich an, nickte und machte mit dem weiter, was er getan hatte, als wir hier ankamen. Er sagte: »Ich habe deinen Wundverband erneuert.«
»Danke. Ich stehe in deiner Schuld.«
Er widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Trommel.
Ich versuchte aufzustehen, merkte schon früh in der Bewegung, daß es ein Fehler wäre, und entspannte mich. Mit ein paar tiefen Atemzügen lockerte ich mich etwas. Ich fragte mich, wie lange es dauern würde, bis ich wieder laufen konnte. Stunden? Tage? Wenn es noch Tage wären, könnte ich mich genausogut hinlegen und sofort sterben.
Ich stellte fest, daß ich großen Durst hatte, und sagte es auch. Er reichte mir eine Flasche, in der merkwürdig schmeckendes Wasser war. Dann schlug er erneut auf die Trommel. Ich lehnte mich an den Baum und ruhte mich aus, während ich angestrengt nach Anzeichen von Verfolgung horchte. Nach einer Weile setzte er einen Kessel aufs Feuer, und etwas später aßen wir eine recht fade Suppe, die wahrscheinlich gut für mich war. Dabei sagte ich: »Meine Name ist Vlad.«
»Aibynn«, sagte er. »Wobei hast du dich verletzt?«
»Einige deiner Landsleute haben was gegen Fremde. Provinzler. Dagegen kann man nichts machen.«
Er sah mich auf eine Weise an, die ich nicht deuten konnte, dann grinste er. »Wir sehen hier nicht oft Leute vom Festland, erst recht keine Zwerge.«
Zwerge? »Besondere Umstände«, sagte ich. »Ließ sich nicht vermeiden. Warum hast du mir geholfen?«
»Ich habe noch nie jemanden mit einem zahmen Jhereg gesehen.«
»Zahm?«
»Schnauze, Loiosh.«
Zu Aibynn sagte ich: »Jedenfalls bin ich froh, daß du hier warst.«
Er nickte. »Das ist ein guter Ort für die Arbeit. Man wird nicht viel belästigt – was ist das?«
Ich seufzte. »Hört sich an, als kämen welche«, sagte ich.
Er sah mich ausdruckslos an. Dann fragte er: »Glaubst du, du
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