Phönix
gemacht hatte. Ich hatte noch ein paar Erdbeeren da, also tat ich sie in eine Palaczinta, zusammen mit einer Creme aus fein gemahlenen Rotnüssen, Zimt, Zucker und etwas Limonensaft. Dazu nahmen wir einen erlesenen Erdbeerlikör, den ich von Kiera aus einem Spirituosenladen bekommen hatte, den sie nach Ladenschluß besuchte.
»Wie«, fragte ich, »kannst du dich einem Mann entziehen, der so kochen kann?«
»Strengste Selbstkontrolle«, erwiderte sie.
»Ach so.«
Ich goß uns noch mehr von dem Likör ein und stellte die Teller für die Jheregs auf den Boden. Zurückgelehnt nahm ich einen Schluck und beobachtete Cawti. Trotz ihrer neckischen Worte flackerte kein Anzeichen von Humor in ihren Augen auf. Schon eine ganze Zeit lang nicht mehr. Ich fragte: »Was müßte ich tun, um dich zu halten?«
Sie schaute auf den Tisch. »Ich weiß nicht, Vladimir. Ich bin nicht sicher, ob es da noch irgend etwas gibt. Ich habe mich verändert.«
»Das weiß ich. Gefällt dir, wie du geworden bist?«
»Ich bin nicht sicher. Was es auch ist, noch ist es nicht zu Ende. Ich weiß nicht, ob wir uns zusammen verändern können.«
»Du weißt aber, daß ich beinahe alles versuchen würde.«
»Beinahe?«
»Beinahe.«
»Was würdest du nicht tun?«
»Frag mich, dann sehen wir es.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ich weiß es einfach nicht.«
Auch diese Unterhaltung hatten wir schonmal geführt, mit Variationen und Ausschmückungen. Ich ging ins Nebenzimmer und stellte mich ans Fenster, damit ich die Straßenmusikanten draußen hören konnte. Hin und wieder hatte ich ihnen einen Beutel Münzen zugeworfen, deshalb spielten sie oft hier unter dem Fenster; das mochte ich so an diesem Haus. Ich warf ihnen also einen Beutel hinunter und hörte eine Weile zu. Ich erinnerte mich, wie es war, mit ihr durch die Straßen zu laufen, ihre Schulter an meiner zu spüren. Irgendwie fühlte ich mich dadurch größer. Ich dachte an Essen bei Valabar und an Klava in einem kleinen Laden, in dem wir aus leeren Tassen und der Zuckerdose Skulpturen gebaut hatten. Dann hörte ich mit den Erinnerungen auf und lauschte einfach der Musik.
Etwas später kam Aibynn wieder, die Trommel sorgfältig in dicken, weichen Stoff gewickelt. Er lehnte sie an eine Wand und setzte sich hin.
Ich fragte: »Wie ist es heute am Hof gelaufen?«
»Großartig«, sagte er. »Die Imperatorin will uns wiedersehen.«
»Glückwunsch.«
»Was hast du dort gemacht?«
»Meine Frau wiedergeholt.«
»Oh.« Er schaute zu ihr rüber, wie sie im Liegesessel saß und ihre Zeitung las. »Gut, daß du sie hast.«
Sie lächelte ihm zu, stand auf und sagte: »Ich denke, ich werde jetzt ein Bad nehmen.«
»Was dagegen, wenn ich zusehe?« fragte ich.
Sie teilte ihr Lächeln mit mir. »Ja«, sagte sie und ging ins Badezimmer. Ich hörte, wie sie Holz in den Ofen warf und Wasser aufsetzte. Aibynn fing auf seiner Trommel zu spielen an, so daß ich kein Stoffrascheln und Platschen hören konnte, was wahrscheinlich auch gut so war. Seine Finger waren ein einziger Wirbel, der Schlegel ebenso. Die Trommel summte, dann stöhnte sie, dann sang sie, dazwischen kam ein Rumpeln und Klackern, als gehörte es in den Raum. Ich ließ mich darin fallen, und es gelang mir, eine Weile nicht zu denken. Vielleicht sollte ich trommeln lernen.
Eine Stunde darauf kam sie in ihrer roten Robe herein. Fenarianisches Stickwerk unten, mit weißem Stoff zusammengehalten. Diese Verbindung betonte ihre dunklen Augen. Sie ließ sich wieder im Liegesessel nieder. Leise sprach ich über das Seufzen von Aibynns Trommel: »Gehst du morgen zurück nach Süd-Adrilankha?«
»Ja. Solange ich draußen bin, werde ich daran arbeiten, das Imperium zur Freilassung von Kelly und dem Rest unserer Leute zu zwingen.«
»Glaubst du, das kannst du?«
»Ich sehe keine andere Möglichkeit.«
Ich dachte an die Imperatorin, daran, wie man in Kordeln aus Bedürfnissen verstrickt sein kann, und fragte: »Weißt du, was man über einen in die Enge getriebenen Dzur sagt?«
»Ja, weiß ich. Was sagt man darüber, Tausende Menschen in einem Krieg zu töten, der uns nichts angeht? Was sagt man darüber, uns in den Kerkern einzupferchen? Was sagt man darüber, uns in Unterwürfigkeit hungern zu lassen? Was sagt man über Phönixwachen, die uns verprügeln und umbringen?«
»Das ist ein Argument«, gab ich zu.
»Ich werde morgen den ganzen Tag weg sein.«
»Ja. Das nehme ich an.«
»Gute Nacht, Vlad.«
»Gute Nacht,
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