Physiologie der Ehe (German Edition)
in der Betrachtung über: ›Die ersten Symptome‹ gesprochen haben. Diese Göttinnen bilden Gruppen unter den zarten Musselinvorhängen des Ehebetts, lachen und schäkern. Die Phönizierin wirft dir ihre Kränze zu und wiegt sich üppig in den Hüften, die Chalkidierin überrascht dich durch die Wunder ihrer weißen, zarten Füße, die Unelmanie erscheint, die Mundart des schönen Ioniens sprechend, und enthüllt dir, indem sie dich in die tiefsten Tiefen einer einzigen Sinnenfreude einweiht, unbekannte Schätze von Glück.
Aufrichtig betrübt, weil er solche Reize verschmäht, oftmals auch ermüdet durch die Treulosigkeiten, die er bei der Venuspriesterin nicht weniger zahlreich angetroffen hat, als bei den anständigen Frauen, beschleunigt ein Ehemann zuweilen durch seine Galanterie den Augenblick der Versöhnung, nach der gebildete Leute ja stets streben. Diese Nachlese von Glück wird vielleicht mit noch größerer Lust eingeerntet als die erste Ernte. Der Minotauros hatte dir Geld genommen – er gibt dir dafür Diamanten zurück. Hier ist es vielleicht angebracht, eine Tatsache von der höchsten Bedeutung hervorzuheben. Man kann eine Frau haben, ohne sie zu besitzen. Wie die meisten Ehemänner, hattest du von der deinigen vielleicht noch gar nichts empfangen, und um euren Bund vollkommen zu machen, bedurfte es der Mitwirkung der gewaltigen Junggesellenschaft. Wie sollen wir dieses Wunder bezeichnen – das einzige, das sich an einem Patienten in seiner Abwesenheit vollzieht? Ach, Brüder – wir haben die Natur nicht gemacht!
Aber durch wie viele andere, nicht weniger kostbare Kompensationen weiß nicht zuweilen ein edler und hochherziger junger Liebhaber sich Verzeihung zu erwirken! Ich erinnere mich, einer der wundervollsten Genugtuungen beigewohnt zu haben, die ein Liebhaber dem von ihm minotaurisierten Ehemann gewähren kann.
An einem heißen Sommerabend des Jahres 1817 sah ich in einem der tortonischen Säle einen der zweihundert jungen Leute erscheinen, die wir mit so viel Zuversicht unsere ›Freunde‹ nennen. Er prangte im ganzen Glanze seiner Bescheidenheit, als er in eines der damals so beliebten schmucken tortonischen Boudoirs eine wunderschöne und mit auserlesenem Geschmack gekleidete Frau einführte. Sie war einer eleganten Kalesche entstiegen, die auf dem Boulevard mit aristokratischer Rücksichtslosigkeit sich einen Platz auf dem eigentlich nur für Fußgänger bestimmten Trottoir angemaßt hatte. Mein junger Liebhaber führte seine junge Königin, hinter ihnen ging der Ehemann, der zwei engelschöne Kinderchen an der Hand hielt. Die beiden Liebenden gingen schneller als der Familienvater und betraten vor ihm das vom Aufwärter ihnen angewiesene Kabinett. Im vordersten Saal stieß der Ehemann gegen irgendeinen Dandy an, der ihn darüber zur Rede stellte. Es entstand ein Streit, der sofort bedenklich ernsthaft wurde, da von beiden Seiten heftige Worte gebraucht wurden. Der Stutzer erlaubte sich sogar, eine Handbewegung zu machen, die eines Mannes, der etwas auf sich hält, unwürdig ist. In diesem Augenblick kam der Liebhaber dazwischen und fiel dem Dandy in den Arm. Der Stutzer war überrascht, verblüfft – der Liebhaber war prachtvoll! Er sagte zum Angreifer nur:
»Mein Herr?!«
Dieses: ›Mein Herr?!‹ ist eine der schönsten Reden, die ich je gehört habe. Der junge Liebhaber scheint damit zu sagen: »Dieser Familienvater gehört zu mir; da ich mich seiner Ehre bemächtigt habe, so ist es an mir, ihn zu verteidigen. Ich kenne meine Pflicht, ich bin sein Stellvertreter und werde mich für ihn schlagen.« Die junge Frau war großartig! Bleich, aufgeregt hatte sie den Arm ihres immerzu sprechenden Gatten ergriffen, und ohne ein Wort zu sagen, zog sie ihn und ihre Kinder mit sich fort zu ihrem Wagen. Sie war eine von jenen Frauen der großen Welt, die stets die Heftigkeit ihrer Gefühle mit dem guten Ton in Einklang zu bringen wissen.
»Oh, Herr Adolphe!« rief die junge Dame, als sie ihren Freund mit heiterer Miene wieder in die Kalesche einsteigen sah.
»'s ist nichts, Madame. Der Herr ist einer meiner Freunde. Wir haben uns umarmt.«
Am nächsten Morgen empfing jedoch der mutige Junggeselle einen Degenstich, der sein Leben in Gefahr brachte. Er mußte sechs Monate hindurch das Bett hüten, die beiden Gatten pflegten ihn mit der rührendsten Sorgfalt. Welche Belohnungen!
Einige Jahre nach diesem Vorfall versuchte ein alter Onkel des Gatten, den jungen Liebhaber aus dem Hause zu
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