Physiologie der Ehe (German Edition)
und eine Ehefrau sich noch für würdig halten, in einer Freundschaft verbunden zu leben, wie sie zwei Menschen aneinanderknüpft – so liegt etwas Widerwärtiges darin, wenn ein Mann seine Frau fühlen läßt, daß er imstande wäre, von einem Vorteil gegen sie Gebrauch zu machen.
Im folgenden teile ich einige Anekdoten mit, von denen mehrere noch unveröffentlicht sind und aus denen sich meiner Meinung nach die verschiedenen Möglichkeiten des Verhaltens, das ein Ehemann in ähnlichem Falle beobachten muß, ziemlich gut ersehen lassen.
Herr de Roquemont schlief jeden Monat einmal im Zimmer seiner Frau, und wenn er ging, sagte er:
»Ich bin meins los; jetzt kann pflanzen, wer will!«
Das ist Verderbtheit und zugleich doch eigentlich ein ziemlich hoher Begriff von Ehepolitik.
Ein Diplomat sah den Liebhaber seiner Frau kommen, verließ sein Arbeitszimmer, betrat das Zimmer seiner Frau und sagte zu den beiden:
»Schlagen Sie sich doch wenigstens nicht!«
Das ist Gutmütigkeit.
Man fragte Herrn von Boufflers, was er tun würde, wenn er nach einer sehr langen Abwesenheit zurückkehrte und seine Frau schwanger fände?
»Ich würde meinen Schlafrock und meine Pantoffeln zu ihr bringen lassen.«
Das ist Seelengröße.
»Madame, dieser Mensch mag Sie schlecht behandeln, wenn Sie mit ihm allein sind – daran sind Sie selber schuld; aber ich werde es nicht dulden, daß er sich in meiner Gegenwart schlecht gegen Sie benimmt – denn das ist eine Ungezogenheit gegen mich.«
Das ist Vornehmheit.
Erhaben aber ist jener Richter, der, während die beiden Schuldigen schlafen, sein viereckiges Barett auf das Fußende des Bettes legt.
Es gibt recht schöne Beispiele derartiger Rache. Mirabeau hat in einem der Bücher, die er schrieb, um seinen Lebensunterhalt zu gewinnen, mit bewunderungswürdiger Kunst die düstere Resignation jener Italienerin geschildert, die von ihrem Gatten dazu verurteilt wurde, mit ihm in den Maremmen umzukommen.
Letzte Merksprüche
XCII. Seine Frau mit ihrem Liebhaber zu überraschen und sie zu töten, während sie einander in den Armen liegen, das ist keine Rache – das ist der allergrößte Dienst, den man ihnen erweisen kann.
XCIII. Niemals wird ein Ehemann eine so vollkommene Rache finden, wie durch den Liebhaber seiner Frau.
Entschädigungen
Die Ehekatastrophe, die eine gewisse Anzahl von Ehemännern nicht vermeiden kann, führt fast immer einen Umschwung herbei. Alles um dich herum wird ruhig. Deine Resignation – vorausgesetzt, daß du dich in Resignation schickst – erweckt starke Gewissensbisse in der Seele deiner Frau und ihres Liebhabers. Denn gerade ihr Glück zeigt ihnen die ganze Größe des Schadens, den sie dir zufügen. Du bist, ohne eine Ahnung davon zu haben, bei allen ihren Liebesfreuden als dritte Person anwesend. Das Wohlwollen und die Güte, die auf dem Grunde des menschlichen Herzens liegen, lassen sich nicht so leicht ersticken, wie man glaubt; daher meinen es gerade die beiden Menschenseelen am besten mit dir, die dich am meisten quälen.
In jenen durch ihre Vertraulichkeit so lieblichen Plaudereien, die das verknüpfende Band der Liebesfreuden bilden und gewissermaßen die Liebkosungen unserer Gedanken sind, sagt oft deine Frau zu deinem Doppelgänger:
»Weißt du, August, ich kann dir versichern, ich möchte jetzt wirklich, daß mein armer Mann glücklich wäre, denn im Grunde ist er gut: wäre er nicht mein Mann, wäre er mein Bruder, so könnte ich gar vieles ihm zu Gefallen tun! Er liebt mich – und – seine Freundschaft ist mir unbequem.«
»Ja, er ist ein braver Mann!«
Von nun an behandelt dich dieser Junggeselle mit größter Achtung; er möchte dich für das Unrecht, das er dir antut, in jeder ihm möglichen Weise entschädigen, aber ihn hält der verächtliche Stolz zurück, der sich in jedem deiner Worte und in jeder deiner Bewegungen kundgibt.
In den ersten Augenblicken der Ankunft des Minotauros gleicht nämlich ein Mann einem Schauspieler, der auf einer ihm ungewohnten Bühne in Verlegenheit gerät. Es ist sehr schwer, das Los des dummen Ehemanns mit Würde zu ertragen; indessen sind doch die edlen Charaktere noch nicht so selten, daß man nicht unter ihnen einen Mustergatten finden könnte.
Unmerklich gewinnen dich die anmutigen Aufmerksamkeiten, mit denen dich deine Frau umgibt. Sie behandelt dich mit einem freundschaftlichen Ton, den sie von nun an niemals mehr verleugnen wird. Ein angenehmes häusliches Leben ist eine der ersten
Weitere Kostenlose Bücher