Physiologie der Ehe (German Edition)
eigenhändig und mit besonderer Sorgfalt sein Lieblingsgetränk, tut den Zucker hinein, kostet es und reicht es ihm dar. Und lächelnd, wie eine unterwürfige Odaliske, wagt sie einen Spaß, um die Stirn ihres Herrn und Gebieters zu entrunzeln. Bis dahin hatte er geglaubt, seine Frau sei dumm; als er aber ein feines Scherzwort hört – nehmen Sie an, Madame, es sei so fein wie eins, womit Sie ihn necken würden – da hebt er den Kopf auf jene eigentümliche Art eines Jagdhundes, der einen Hasen aufstöbert.
»Wo, zum Teufel, hat sie das her? Oder sollte es ein Zufall sein?« sagt er bei sich selber.
Von seiner erhabenen Höhe herab antwortet er mit einer pikanten Bemerkung. Seine Frau gibt ihm darauf eine schlagfertige Erwiderung, das Gespräch wird ebenso lebhaft wie interessant, und der Ehemann, ein ziemlich bedeutender Mensch, ist ganz erstaunt, den Geist seiner Frau mit den mannigfachsten Kenntnissen geschmückt zu finden; mit wunderbarer Leichtigkeit weiß sie stets das richtige Wort anzubringen; taktvoll und zartfühlend findet sie Bemerkungen von einer anmutigen Originalität. Sie ist nicht mehr dieselbe Frau. Sie bemerkt die Wirkung, die sie auf ihren Mann hervorbringt; und teils um sich für seine Vernachlässigung zu rächen, teils ihn den Liebhaber bewundern zu lassen, von dem sozusagen die Schätze ihres Geistes stammen, wird sie immer lebhafter, wird sie blendend. Der Ehemann, der mehr als irgendein anderer imstande ist, eine Entschädigung zu würdigen, die einigen Einfluß auf seine Zukunft üben muß, denkt bei sich selber: die Liebesverhältnisse einer Frau sind vielleicht eine Art von notwendiger Kultur.
Von dem Augenblick, wo die letzten Symptome auftreten, bis zur Epoche des ehelichen Friedens, mit dem wir uns sogleich beschäftigen wollen, verstreichen ungefähr zehn Jahre ... Während dieses Zeitraumes nun, ehe die beiden Gatten den Friedensvertrag unterzeichnen, der zwischen dem weiblichen Volk und seinem rechtmäßigen Herrn eine aufrichtige Aussöhnung zustande bringt und ihrer kleinen häuslichen Restauration die Weihe gibt, mit einem Wort: ehe sich, wie Ludwig der Achtzehnte es ausdrückte, der Abgrund der Revolution schließt – kommt es selten vor, daß eine anständige Frau nur einen einzigen Liebhaber gehabt hat. Die Zeit der Anarchie hat ihre unvermeidlichen verschiedenen Phasen. An Stelle der stürmischen Herrschaft der Tribunen tritt eine Herrschaft des Säbels oder der Feder – denn man trifft selten Liebhaber, deren Beständigkeit ein Jahrzehnt dauert. Da ferner unsere Berechnungen nachweisen, daß eine anständige Frau ihre physiologischen oder diabolischen Steuern nur gerade eben pünktlich entrichtet hat, wenn sie nur drei Liebhaber glücklich macht – so spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie fast mehr als eine Provinz der Liebe betreten hat. Wenn nun einmal ein Interregnum der Liebe ein wenig lange gedauert hat, daß eine Frau, entweder aus Laune oder einem Gelüste unterliegend oder wegen des Reizes der Neuheit, den Versuch unternimmt, ihren Mann zu verführen.
Stelle dir die reizende Frau von T. vor, die Heldin unserer Betrachtung über die Strategie, wie sie auf einmal mit einem entzückend schlauen Gesicht sagt: »Aber ich habe Sie ja niemals so liebenswürdig gesehen!«
Deine Frau kost und schmeichelt, sie bringt dich in Versuchung, stachelt die Neugier, scherzt, nährt in dir den leisesten Wunsch, bemächtigt sich desselben und macht dich stolz auf dich selber. Und nun kommt für einen Ehemann die Nacht der Entschädigungen. Die Frau verblüfft die Phantasie ihres Gatten. Wie gewisse Erdballbummler erzählt sie Wunderdinge von den Ländern, die sie durcheilt hat. Sie mischt in ihre Erzählungen Wörter aus mehrern fremden Sprachen. Die leidenschaftliche Bildersprache des Morgenlands mischt sich in die kräftige Beweglichkeit der spanischen Ausdrucksweise. Deine Frau zeigt dir die Schätze ihres Albums mit der ganzen Geheimnistuerei der Koketterie; sie ist entzückend; du hast sie nie gekannt. Mit der den Frauen eigentümlichen Kunst, sich alles anzueignen, was man sie lehrt, hat sie die verschiedenen Nuancen so zu verschmelzen gewußt, daß daraus eine nur ihr eigentümliche Art entstand. Du hattest aus Hymens Hand eine linkische und naive Frau empfangen, der freigebige Liebhaber schenkt dir dafür zehn Frauen in einer. Freudig entzückt sieht plötzlich der Gatte sein Lager von der ausgelassenen Schar neckischer Kurtisanen überfallen, von denen wir
Weitere Kostenlose Bücher