Physiologie der Ehe (German Edition)
ihrer jungfräulichen Gesichtsfarbe glaubt das Auge den Duft einer jungen Frucht und den kaum wahrnehmbaren Flaum eines bunten Pfirsichs zu sehen; ihre azurnen Adern verbreiten eine wonnige Wärme über die klare Haut; sie fordert und gibt das Leben; sie ist ganz Freude und ganz Liebe, ganz Anmut und ganz Naivität. Sie liebt ihren Gatten, oder glaubt ihn wenigstens zu lieben.
Der verliebte Ehemann hat in seinem tiefsten Herzen zu sich gesagt: »Diese Augen werden nur mich sehen, dieser Mund wird nur für mich in Liebe zucken, diese weiche Hand wird nur über mich streichelnd die Schätze der Wonne ergießen, nur für mich wird dieser Busen wogen, nur meinem Willen wird diese schlummernde Seele erwachen; ich allein werde meine Finger in diese glänzenden Locken tauchen; ich allein werde in träumerischer Liebkosung dieses erzitternde Köpfchen streicheln. Ich werde den Tod zum Wächter bestellen, um dem fremden Räuber den Zugang zu unserm Ehebett zu wehren; dieser Thron der Liebe wird vom Blute der Unbesonnenen schwimmen oder von meinem Blute. Ruhe, Ehre, Glück, Blutsbande, Vermögen meiner Kinder – alles ist in unserm Ehebett; ich will das alles verteidigen, wie eine Löwin ihre Jungen. Wehe dem, der seinen Fuß in meine Höhle setzt!«
Nun, mutiger Ringer, wir klatschen deinem Vorhaben Beifall! Bis jetzt hat kein Mathematiker die Längen- und Breitengrade auf dem Meere der Ehe zu bestimmen gewagt. Die alten Ehemänner haben sich geschämt, die Sandbänke, die Riffe, die Klippen, die Brandungen, die Monsune, die Küsten und die Strömungen zu bezeichnen, die ihre Schiffe zerstört haben – so sehr schämten sie sich ihres Schiffbruchs. Es fehlte ein Führer, ein Kompaß für die verheirateten Pilger; dieses Werk ist bestimmt, ihnen diesen Dienst zu leisten.
Abgesehen von Gewürz- und Schnittwarenkrämern gibt es so viele Leute, die zu reinem Zeitvertreib sich mit Nachforschungen nach den geheimen Gründen der Handlungsweise der Frauen beschäftigen, daß es ein Werk der Barmherzigkeit ist, ihnen abschnitts- und kapitelweise alle geheimen Situationen der Ehe aufzuzählen; ein gutes Inhaltsverzeichnis wird sie instand setzen, alle Herzbewegungen ihrer Frauen zu durchschauen, wie sie in der Logarithmentafel das Ergebnis einer Multiplikationsaufgabe finden.
Nun, was meinen Sie dazu? Zu zeigen, wie man eine Frau verhindern kann, ihren Gatten zu betrügen – ist das nicht ein neues Unternehmen, an das sich noch kein Philosoph herangewagt hat? Ist das nicht die Komödie der Komödien? Ist das nicht ein anderes › speculum vitae humanae ‹? Es handelt sich nicht mehr um jene müßigen Fragen, denen wir in dieser Betrachtung ihren Anteil eingeräumt haben. Heutzutage verlangt das Jahrhundert auf dem Gebiete der Moral wie auf dem der exakten Wissenschaften Tatsachen, Beobachtungen. Wir liefern sie.
Prüfen wir also zunächst den wahren Stand der Dinge, analysieren wir die Kräfte der beiden Parteien. Ehe wir den von unserer Phantasie geschaffenen Kämpen wappnen, wollen wir einen Überschlag über die Zahl seiner Feinde machen, wollen die Kosaken zählen, die in sein kleines Vaterland einfallen wollen.
So schiffe sich denn mit uns ein, wer Lust hat; lache wer kann! Den Anker gelichtet! Die Segel gehißt! Ihr kennt den kleinen runden Punkt, von dem ihr abfahrt. Das ist ein großer Vorteil, den wir vor vielen Büchern voraushaben.
Und wenn wir nun einmal eine Vorliebe dafür haben, beim Weinen zu lachen und beim Lachen zu weinen, wie der göttliche Rabelais beim Essen trank und beim Trinken aß – wenn wir die Manie haben, auf ein und derselben Seite von Heraklit und Demokrit zu schreiben, weder stilgerecht noch in ausgeklügelten Sätzen zu schreiben – daß keiner von der Mannschaft sich erlaube, darüber zu brummen! ... Herunter vom Deck, ihr alten Köpfe mit Fallhüten auf, ihr Klassiker in Windeln, ihr Romantiker in Leichentüchern! – Vorwärts! Komme, was da will!
Alle diese Leute werden uns vielleicht vorwerfen, wir machten's wie gewisse Menschen, die mit lustigem Gesicht sagen: »Ich werde Ihnen eine Geschichte erzählen – da werden Sie aber lachen!« Als ob es sich um etwas zum Lachen handelte, wenn man von der Ehe spricht! Erraten Sie denn nicht, daß wir diese als eine leichte Krankheit ansehen, der wir alle unterworfen sind, und daß dieses Buch die Monographie besagter Krankheit ist?
»Aber Sie selber, Ihr Schiff oder Ihr Buch sehen aus wie jene Postillione, die bei der Abfahrt mit der
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