Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Picasso kann jeder

Picasso kann jeder

Titel: Picasso kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schuster
Vom Netzwerk:
Musizieren verwechselt, könnte man der Meinung sein, es mache ständig nur Spaß, ein kreatives Werk zu vollbringen. Es kommt zu einem seelischen »Fließen« (Flow-Erlebnis), wenn Kompetenz und Schwierigkeit der Aufgabe sich die Waage halten. Es entstehen Glücksgefühle. Man ist beim Tun selbstvergessen, die Zeit verstreicht unbemerkt.
    Aber wenn man unter Kreativität das Erfinden und Durchsetzen von neuen und nützlichen Ideen versteht, dann ist es unmittelbar einsichtig, dass dabei Lust und Frust nahe beieinander liegen. Etwas auszutüfteln kann zunächst durchaus erfreulich sein. Bei der Entstehung des Werkes kann es auch Phasen des »Fließens« geben, speziell bei künstlerischen Werken. Das Werk dann so auszuarbeiten, dass eine brauchbare Sache daraus wird, kann Schweiß und Anstrengung erfordern, auch von Rückschlägen begleitet sein. Andere davon zu überzeugen, dass diese Innovation funktioniert und nützlich ist, kann ebenfalls sehr mühsam und auch deprimierend sein. Manchmal gelingt das Werk auch gar nicht, und der Versuch einer kreativen Leistung mündet in einer gewissen Enttäuschung. Bei Werken der täglichen Kreativkraft kann es durchaus vorkommen, dass Freunde und Bekannte sie abwerten oder überhaupt nicht bemerken. Das ist schmerzhaft, gerade wenn man selbst ein wenig stolz auf das Projekt ist.

    Eine meiner Studentinnen (der Ehre halber sei ihr Name genannt: Marie Wagner) hat sich darüber geärgert, dass man sich beim Tragen von Stegschuhen immer Blasen holt. Sie erfindet ein Pflaster mit einer gepolsterten Fläche und zwei durchsichtigen Klebe-Enden, das man am Steg zwischen die Zehen kleben kann – eine prima Idee. Sie schickt den Vorschlag an eine Pflasterfirma, bekommt aber zu ihrer Enttäuschung keine Antwort.

    Die Nobelpreisträgerin Rita Levi-Montalcini (geb. 1909), die den Nervenwachstumsfaktor entdeckte, verriet in einem Interview in Bild der Wissenschaft (2009), was hauptsächlich zum Erfolg ihres kreativen Projekts beitrug: »Ein beträchtliches Maß an Verbissenheit. Die Verbissenheit, meinen Weg weiterzuverfolgen, den Weg, den ich für richtig halte. Und den Gleichmut bei Schwierigkeiten, denen ich mich auf diesem Wege stellen muss.«
    Hat man aber mit einer Idee, mit einer kreativen Leistung schließlich ein Problem gelöst oder ein Werk fertiggestellt, so ist das ein überwältigendes Gefühl, das das Selbstwertgefühl auf Dauer festigt und steigert. Das kann so befriedigend sein, dass man sich immer wieder auf ungelöste Probleme einlassen möchte.
Mit einer kreativen Idee Anerkennung finden
und Erfolg haben
    Finanzieller oder gesellschaftlicher Erfolg, Ruhm und Anerkennung sind dagegen nicht so leicht zu erreichen. Zunächst einmal muss die Idee richtig und erfolgsträchtig sein. Das kreative Projekt erweist sich aber manchmal auch als Irrweg. Die Idee taugt nichts oder sie beruht auf einem Denkfehler.

    Ein Beispiel für ein Scheitern »auf höchster Ebene« dürfte eine Theorie des Naturphilosophen Gustav Theodor Fechner (1801 – 1887) sein. Fechner half mit, die Psychophysik als eigene wissenschaftliche Disziplin der Psychologie zu entwerfen, und lieferte wichtige, noch heute grundlegende Beiträge. Er staunte über die Passung zwischen Baum und Tierbau, zwischen dem Schnabel eines Vogels und seinem Beutetier und entwickelte die Theorie einer belebten intelligenten Erde (eine Art Gaia-Hypothese). Wenig später konnte Darwins Evolutionstheorie diese Zusammenhänge richtig erklären. Dennoch scheiterte Fechner, weil er unter anderem bei seinem Entwurf einer belebten Natur so weit ging, Sterne für ›beseelt‹ bzw. für Engel zu halten – einer der Gründe für sein Scheitern. Und doch gelang Fechner ein kühner Vorgriff auf das naturwissenschaftliche Denken unserer Zeit.
    Es ist noch nicht lange her, dass die »kalte« Kernfusion im Reagenzglas mit erheblichem Presserummel vorgestellt wurde. Damit sollten alle Energieprobleme der Menschheit gelöst sein. Allerdings erwies sich der Effekt als nicht reproduzierbar.

    Der Nobelpreisträger Konrad Lorenz (1903 – 1989) beschrieb es geradezu als Tugend des Entdeckers, (täglich) seine Lieblingshypothesen aufzugeben, weil die Fakten ihnen nicht entsprechen.
    Aber auch dann, wenn eine Idee, ein Projekt stimmig ist und zu wichtigen Anwendungen für die Menschheit führen könnte, darf sich der Kreative alles andere als sicher sein, dass er später für diese Erfindung berühmt wird oder gar finanziellen Erfolg damit

Weitere Kostenlose Bücher