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Picasso kann jeder

Picasso kann jeder

Titel: Picasso kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schuster
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Kritik, mit der die Erfinder und Entdecker konfrontiert werden, fehlt es nicht. »Unmöglich zu machen« ist noch die freundlichste Kritik, die sie ständig hören müssen.
    Wenn man etwas entwickeln will, braucht man aber die Diskussion, allein um sich die eigenen Ideen klarzumachen; darüber hinaus braucht man konstruktive Kritik, um Sackgassen zu vermeiden. Im günstigen Fall gibt es Freunde, Kollegen oder Verwandte, die der Idee positiv gegenüberstehen und aus dieser Haltung heraus Anregungen geben. Bei Otto Lilienthal war es sein Bruder, der das gleiche Interesse an der Erfindung eines brauchbaren Flugzeugs hatte und ihm bei den vorbereitenden Experimenten zu seiner Verwirklichung mit Rat und Tat zur Seite stand.

    Gustav Lilienthals Ehefrau Anna konnte, weil sie die Erfindungen ihres Mannes bedingungslos unterstützte, auch einmal Kritik üben. So verhinderte sie die Produktion eines Baukastensystems aus Pappe für große Freiluftspielzeuge, das ja durch die Feuchtigkeit bald zerstört worden wäre. Runge und Lukasch (2007, S. 200) geben ihre Worte wieder: »Denn wenn das Luftschloss unter Dach und fertig ist, kannst du nichts mehr daran ändern.« Auf ihren Vorschlag hin wurde das Baukastensystem dann aus Holz erstellt (es ist der direkte Vorläufer der späteren Meccano- und Stabilo-Baukästen, die – weil aus Metall – auch die Möglichkeit des Bastelns von Maschinen mit Achsen boten).

    Gerade in der kritischen Phase der Entwicklung des Kubismus waren es die Kollegen und Freunde Braque und Picasso, die sich fast täglich sahen und die neue Malrichtung vorantrieben. Der schwierige van Gogh schaffte es über einige Monate, eine Freundschaft mit Gauguin zu halten. In seinen Briefen an den Bruder Theo berichtete er, wie die positive Kritik der Gemälde, die die Freunde im abendlichen Gespräch übten, beide aufregte, sie aber auch weiterbrachte (Gauguin schrieb später, van Gogh habe durch ihn erst malen gelernt).
    Oft sind es Maler- bzw. Kollegengruppen, die sich gegen die abwertende Kritik des etablierten Betriebs abschotten und einen neuen Stil begründen. So war es schon bei den Präraffaeliten, den Impressionisten, der Berliner und der Münchner Secession, bei den Surrealisten, bei der Worpsweder Malergruppe oder bei den Wiener Aktionisten. Natürlich gab es in diesen Gruppen Rivalitäten und Eifersüchteleien, dennoch gaben sie über eine kritische Zeitspanne den nötigen Rückhalt, den alle brauchten, um bei der neuen Sache zu bleiben. Manchmal waren die trennenden Kräfte aber zu stark, und die Gruppen zerfielen wieder. So wurde Salvador Dalí wegen seiner Schwärmerei für den Diktator Franco aus der Gruppe der Surrealisten ausgeschlossen.
    Bei Wissenschaftlern ist die Gruppe der Experten auf Kongressen und wissenschaftlichen Tagungen geradezu institutionalisiert. Manchmal, wie bei der Entdeckung der Struktur des DNA-Moleküls (Krick und Watson) oder auch der Chaostheorie, sind es aber verschworene Forschergruppen, ja Freundesgruppen, die täglich Kontakt haben und ihre Idee im »Treibhaus« der Gleichgesinnten vorantreiben. Aber auch im normalen Forschungsbetrieb gibt es viele enge Bindungen, die das gemeinsame Forschungsvorhaben ungemein beflügeln, manchmal sogar in eine Ehe münden können (wie bei den Altersforschern Ursula Lehr und Hans Thomae). Die Eheleute Pierre und Marie Curie arbeiteten gemeinsam und einvernehmlich an der Isolierung des Radiums.
    Bei Gruppen kommt noch anderes hinzu, was das Wachstums der neuen Idee unterstützt. Das eine oder andere Gruppenmitglied hat wichtige Beziehungen, die für die Idee eingesetzt werden können. Max Ernsts Ehefrau Peggy Guggenheim hatte die Möglichkeit, für die Gruppe der Surrealisten eine Ausstellung in New York zu organisieren. Das Werk van Goghs wäre ohne die schützende Hand und die finanzielle Hilfe des Bruders Theo gar nicht entstanden und auch nicht erhalten geblieben. Eine Gruppe von Menschen sammelt auch leichter und effektiver wichtige Informationen, die der Sache weiterhelfen.
    Der Erfinder kann solche Menschen um sich scharen. In seiner Erfindung, in seinem Projekt kann er sich aber nur auf sich allein verlassen. Die anderen müssen sich diesem Projekt unterordnen, wenn sie hilfreich sein sollen. So kann man verstehen, dass Picasso im Alter meinte: »Ohne Einsamkeit kann nichts entstehen. Ich habe mir eine Einsamkeit geschaffen, von der niemand weiß.«
    Wenn man also eine gute Idee hat, bei der es sich lohnt, sie auszuarbeiten, ist

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