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Picasso kann jeder

Picasso kann jeder

Titel: Picasso kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schuster
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muss die Einsicht, die Vision der Droge gestaltet werden, und das kann der sprachmächtige Dichter besser als der ungeübte, der Künstler-Maler besser als der unerfahrene Maler. Das nötige Vorwissen und die Problemstellung müssen im Kopf bereitliegen, damit die ungewöhnlichen Assoziationen des Rausches weiterhelfen können. Lassen wir Ernst Jünger dazu mit einigen Zeilen zu Wort kommen (1980, S. 348):

    »Inzwischen hat sich das Bewußtsein mit seinen unbarmherzigen Schatten noch verschärft. Indessen begleitet uns das Bewußtsein auch tiefer in den Wald. Das erlaubt uns, Begegnungen zu konturieren und einzuordnen, denen noch vor kurzem der Geist nicht gewachsen war. Und mehr noch: in sie einzutreten und durch sie hindurchzugehen.«

    Der Psychiater Hanscarl Leuner gibt allerdings zu bedenken (1981, S. 351): »Nicht die Droge macht produktiv, sondern sie lockert und löst produktive Möglichkeiten, nachdem sich die Versuchsperson adäquat vorbereitet hat.«
    LSD ist heute verboten. Wichtig zu wissen: Man kann die regressiven Zustände des Drogenrauschs auch mit Autogenem Training oder einer Form der aktiven Imagination herstellen. Im Kapitel »Wie erzeugt man Einfälle?« (S. 129 ff.)gehe ich darauf ein.
Psychose und Kreativität, Genie und Wahnsinn
    Immer wieder wird ein Zusammenhang zwischen Geisteskrankheit und Genialität behauptet; Cesare Lombrosos (1835 – 1909) berühmt-berüchtigtes Werk Genie und Irrsinn (1872), in dem das Genie als permanenter psychischer Ausnahmezustand angesehen wird, machte dabei nicht einmal den Anfang. Schon das antike Griechenland kannte diese These.
    Jedoch sind es unter den Kreativen eher die Künstler,
unter denen sich viele »auffällige« Persönlichkeiten finden. Bei den Naturwissenschaftlern gibt es nach unserer Kenntnis nur wenige, die Episoden von Geisteskrankheit hatten (nicht von allen Menschen kennt man natürlich solche intimen Details), bei den Künstlern ist es eine größere Zahl. Nur 28 Prozent der herausragenden Wissenschaftler, aber 73 Prozent der bildenden Künstler und 87 Prozent der Dichter hatten in ihrem Leben dokumentierte Episoden geistiger Störung (Ludwig 1992). Aber gerade auch die revolutionären Veränderer der Wissenschaften wie Kopernikus, Charles Darwin, René Descartes, Albert Einstein, Michael Faraday, Sigmund Freud, Sir Isaac Newton und Blaise Pascal sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen.
    Dabei ist es vielleicht nicht allein der Schaffensdrang, der durch die Psychose »energetisiert« wird (s. o. das Beispiel des Künstlers Wölfli), sondern möglicherweise sind es auch noch andere Veränderungen des Menschen in der Psychose (speziell in der Schizophrenie, aber auch mitunter in den manischen Phasen der Depression), die das kreative Werk begünstigen. Der berühmte Psychiater Ernst Kretschmer (1888 – 1964) hat das Werk Goethes analysiert und dabei entdeckt, dass des Dichters Schaffensdrang und Lebensfreude, speziell Verliebtheit, in regelmäßig auftretenden manischen Phasen aufflammten. Dazwischen lagen schöpferische Pausen.
    Verschiedene weitere Thesen über einen Zusammenhang von Psychose und Kreativität sind denkbar:
Das veränderte Denken (etwa bei der schizophrenen Psychose) erleichtert den Einfall. Es gibt das Denken, bei dem Gegensätze verschwimmen, bei Max Kläger »Blending« genannt (1978). Man hat ungewöhnliche Assoziationen. (Das gibt es auch bei normalen Personen, die hohe Werte im Merkmal »Psychotizismus« aufweisen.)
In der Psychose ist der Betroffene von der Reaktion der sozialen Umwelt nicht mehr abhängig. Er agiert ganz unabhängig von Kritik und Zustimmung.
Der Konflikt der Psychose motiviert auch das Schaffen von Fantasiegestalten, etwa in Werken der Dichtkunst (s. o. zum Schaffensdrang).

    Die schizophrene Erkrankung ist sehr zerstörerisch, aber vielleicht war bei den Kreativen der Vergangenheit oft auch nur eine mildere Form der geistigen Abweichung, der Autismus, vorhanden. Unter Autisten gibt es Spezialtalente, die beispielsweise ganz besondere Gedächtnisleistungen vollbringen (z.B. ohne Notenblatt lange Musikstücke spielen) oder im Rechnen Außergewöhnliches leisten. Isolierte Spezialbegabungen sind allerdings auch genetisch bedingt, so dass aus dem kreativen Erfolg dieser Menschen nur bedingt eine Maxime für die Förderung der Kreativität gewonnen werden kann. Unter den Menschen, die an Autismus oder der milderen Form, dem Asperger-Syndrom, leiden, können viele mit kleinen Beeinträchtigungen ganz

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