Picknick mit Bären
mit großen Maschinen möglichst viel Krach im Wald zu machen, liegt darin, daß der privaten Holzindustrie Zugang zu vorher unerreichbaren Baumbeständen verschafft werden soll. Von den 60 Millionen Hektar verwertbaren Waldgebiets des Forest Service sind zwei Drittel für die zukünftige Nutzung reserviert. Das übrige Drittel – 19 Millionen Hektar, eine Fläche, doppelt so groß wie Ohio – ist zur Rodung bestimmt. Das ermöglicht den Kahlschlag ganzer, geschlossener Waldgebiete. Das schließt, um nur ein besonders erschreckendes Beispiel zu nennen, auch 84 Hektar eines Bestands von tausendjährigen Redwoods im Umpqua National Forest in Oregon ein.
1987 gab der Forest Service bekannt, er werde der privaten Holzindustrie ab sofort erlauben, jährlich Hunderte Hektar Baumbestand aus der uralten grünen Lunge des Pisgah National Forest, gleich neben dem Great Smoky Mountams National Park, abzuholzen. Dies sollte zu 80 Prozent nach Methoden der »wissenschaftlichen Forstwirtschaft« geschehen, wie man es delikaterweise nannte. Gemeint ist damit Kahlschlag, was nicht nur eine Beleidigung fürs Auge, sondern ein brutaler Eingriff in die Landwirtschaft darstellt und große Überschwemmungen auslösen kann, die den Boden zerfurchen, ihm Nährstoffe entziehen und das ökologische Gleichgewicht weiter stromabwärts zerstören, manchmal auf eine Länge vom mehreren Kilometern. Das hat mit Wissenschaft nichts mehr zu tun. Das ist Waldfrevel.
Trotzdem schleift der Forest Service weiter. Ende der 80er Jahre – es ist so abwegig, daß man es kaum aussprechen mag -war er der einzige ernstzunehmende Vertreter der amerikanischen Holzindustrie, der schneller mit dem Abholzen war als mit der Wiederaufforstung. Und das mit einer grandiosen Ineffizienz. 80 Prozent seiner Leasingunternehmen machten Verluste, häufig riesige Summen. In einem typischen Fall verkaufte der Forest Service hundertjährige Murrays-Kiefern im Targhee National Forest in Idaho für zwei Dollar pro Stamm, nachdem er umgerechnet vier Dollar pro Stamm für Landvermessungen, Vertragsakquisition und – wie könnte es anders sein – Straßenbau ausgegeben hatte. Zwischen 1989 und 1997 verlor der Forest Service durchschnittlich 242 Millionen Dollar pro Jahr – nach den Berechnungen der Wilderness Society alles in allem fast zwei Milliarden Dollar. Das ist dermaßen niederschmetternd, daß ich es lieber dabei bewenden lassen und mich wieder unseren beiden, durch die verlorene Welt des Chattahoochee stapfenden, einsamen Helden widmen möchte.
Der Wald, den wir durchquerten, war eigentlich noch ein strammer Jüngling. 1890 kam ein Eisenbahn-Magnat namens Henry C. Bagley aus Cincinnati in diesen Teil von Georgia, sah die verschiedenen stattlichen, nordamerikanischen Fichten und Pappeln und war so tief berührt von ihrer Erhabenheit und Vielfalt, daß er den Entschluß faßte, sie alle zu fällen. Sie waren ihr Geld wert. Außerdem würden sie die Schornsteine seiner Lokomotiven zum Rauchen bringen, wenn er das Holz in seine Fabriken im Norden des Landes schaffte. Diese Radikalkur verwandelte fast alle Berge im nördlichen Georgia im Laufe der folgenden 30 Jahreinsonnenbeschienene Haine aus Baumstümpfen. Bis 1920 hatten die Waldarbeiter 36 Millionen Festmeter Holz geschlagen. Erst 1930, mit Gründung des Chattahoochee Forest, wurde der Natur wieder zu ihrem Recht verhelfen.
In einem forstwirtschaftlich nicht genutzten Wald herrscht eine seltsame Atmosphäre der erstarrten Gewalt. Es schien so, als hätte jede Lichtung, jede Senke soeben eine grandiose Umwälzung erfahren. Alle 40 bis 50 Meter lagen umgestürzte Bäume quer über dem Weg, die meisten hatten riesige Krater um die ausgerissenen Wurzeln herum hinterlassen; auf den Abhängen lagen noch mehr Bäume, die langsam verrotteten, und jeder dritte oder vierte Baum, so kam es mir vor, lehnte sich steil an seinen Nachbarn. Es war, als könnten sie es nicht erwarten umzustürzen, als bestünde ihr einziger Zweck im Universum darin, groß genug zu werden, um mit einem richtig satten Krachen umzufallen, so daß die Späne nur so flogen. Immer wieder kam ich an Bäumen vorbei, die sich so bedenklich mit ihrem ganzen Gewicht über den Weg beugten, daß ich zuerst zögerte, dann drunterherhuschte, jedesmal befürchtend, den falschen Moment erwischt zu haben und erschlagen zu werden, und mir dann Katz vorstellte, der wenige Minuten später vorbeikommen, sich meine verdrehten Beine ansehen und sagen würde:
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