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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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das Zelt von Katz.
    »Das ist haargenau das gleiche Zelt.«
    Sie sah es sich nochmals an. »Ist ja auch egal. Wie viele Kilometer seid ihr heute gelaufen?«
    »Ungefähr 16.« Eigentlich waren es nur dreizehneinhalb, aber dazu gehörten einige knifflige Steilabbrüche, unter anderem eine höllische Wand, Preaching Rock, die höchste Erhebung nach Springer Mountain, für die wir uns mit einem Bonus in Form von erlassenen Kilometern belohnt hatten, aus moralischen Gründen.
    »16 Kilometer? Mehr nicht? Ihr müßt ja wirklich in ganz schön schlechter Verfassung sein. Ich bin 22 Komma acht Kilometer gelaufen.«
    »Und wieviel hat dein Mundwerk zurückgelegt?« sagte Katz und schaute von seinem Teller Nudeln auf.
    Sie fixierte ihn böse aus zusammengekniffenen Augen. »Genauso viel wie ich natürlich.« Sie sah mich verstohlen an, als wollte sie sagen: Tut dein Freund nur so doof, oder was soll das? Sie schnaubte wieder. »Ich bin im Gooch Gab losgegangen.«
    »Wir auch. Das sind nur dreizehneinhalb Kilometer.«
    Sie schüttelte heftig den Kopf, als wollte sie eine besonders hartnäckige Fliege loswerden. »22 Komma acht.«
    »Nein, im Ernst, es sind nur dreizehneinhalb.«
    »Entschuldigt bitte, aber ich bin schließlich den ganzen Weg zu Fuß gelatscht. Ich muß es ja wohl wissen.« Dann wechselte sie plötzlich das Thema. »Meine Güte, sind das Timberland-Schuhe? Megaschwerer Fehler. Wieviel hast du für die bezahlt?«
    In dem Stil ging es weiter. Schließlich war ich es leid und stand auf, um unsere Teller zu spülen und den Vorratsbeutel aufzuhängen. Als ich wiederkam, bereitete sie ihr Essen zu, redete dabei aber ununterbrochen auf Katz ein.
    »Weißt du was?« sagte sie. »Entschuldige, wenn ich kein Blatt vor den Mund nehme, aber du bist zu dick.«
    Katz sah sie völlig verdattert an. »Wie bitte?«
    »Du bist zu dick. Du hättest abnehmen sollen, bevor du losgingst. Ein bißchen Sport machen sollen, sonst kriegst du noch so eine, ähem, ich meine, so eine Herzsache.«
    »Was für eine Herzsache?«
    »Ja. Ich meine, wenn das Herz aufhört zu schlagen und man tot ist.«
    »Meinst du einen Herzinfarkt?«
    »Ja, genau.«
    Dazu muß gesagt werden, daß Mary Ellen auch nicht gerade unter mangelnder Körperfülle litt und sich just in diesem Moment ungeschickterweise bückte, um etwas aus dem Rucksack zu holen und dabei ein breitwandiges Hinterteil präsentierte, auf das man ohne weiteres einen Kinofilm hätte projizieren können. Das stellte Katz auf eine harte Geduldsprobe. Er sagte nichts, sondern stand auf, um zu pinkeln und zischte mir im Vorbeigehen aus dem Mundwinkel ein passendes dreisilbiges Schimpfwort zu, das wie das Signal eines Güterzugs bei Nacht klang.
    Am nächsten Tag standen wir wie immer durchgefroren und wie gerädert auf und machten uns an die Verrichtung unserer kleinen Pflichten, diesmal mit der zusätzlichen Qual, daß jede Bewegung beobachtet und bewertet wurde. Während wir unsere Rosinen aßen und unseren Kaffee mit Toilettenpapierschnipseln tranken, verschlang Mary Ellen ein mehrgängiges Frühstück bestehend aus Müsli, Honigpops, einem speziellen Energiemix für Wanderer, und einer Handvoll kleiner, rechteckiger Schokoladenstückchen, die sie neben sich auf dem Baumstamm aufreihte.
    Wir sahen ihr wie zwei Waisenkinder auf der Flucht dabei zu, wie sie sich die Backen vollstopfte und uns über unsere Mängel in puncto Proviant, Ausrüstung und allgemeiner Virilität aufklärte.
    Danach ging es wieder ab in den Wald, diesmal zu dritt. Mary Ellen ging manchmal neben mir her, manchmal neben Katz, aber immer mit einem von uns beiden. Es war augenscheinlich, daß sie trotz ihres ganzen aufgeblasenen Getues absolut unerfahren und wanderuntauglich war – zum Beispiel hatte sie nicht den leisesten Schimmer, wie man eine Karte las – und sich allein in der Wildnis nicht wohl fühlte. Irgendwie tat sie mir sogar ein bißchen leid, und außerdem fand ich sie allmählich auf komische Weise unterhaltsam. Sie hatte eine ungewöhnlich redundante Art, sich auszudrücken. Sie sagte zum Beispiel Sätze wie diesen: »Da drüben ist ein Wasserfluß«, oder »Wir haben jetzt zehn Uhr morgens.« Einmal, es ging um den Winter in Florida, informierte sie mich völlig ernstgemeint: »Normalerweise haben wir im Winter ein- bis zweimal Frost, aber dieses Jahr schon zweimal.« Katz litt unter ihrer Gesellschaft und stöhnte, weil sie ihn andauernd bedrängte, einen Schritt schneller zu gehen.
    Endlich einmal war

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