Piesberg in Flammen
weder dem Hund noch Pieter einen Anlass zu geben, sich auf ihn zu stürzen. So erreichte er unbehelligt den Weg. Nun lagen die Bäume zwischen ihnen.
Jetzt erst rührte sich Pieter. Er nahm sein Rad vom Baum und folgte Hero Dyk rechts um das Gebüsch herum. »Sie sind sehr neugierig«, sagte er. »Gestern Jacqui und heute ich. Was wollen Sie von uns?«
Beide Wege mündeten etwas höher in einen Rundweg, dort trafen sie sich wieder. Gut fünfzig Meter lagen nun zwischen den beiden Männern. Hero Dyk überquerte den Weg in Richtung Krankenhaus. Pieter schwang sich auf sein Rad und fuhr ihm nach. Hero Dyk ging weiter, aber Pieter hatte ihn bald erreicht und drehte nun ganz langsame Runden um ihn herum. Ein Kunststück fast, dass er dabei nicht vom Rad fiel.
»Wieso beobachten Sie mein Haus?«, wollte er wissen.
»Wohnen Sie hier? Das wusste ich nicht.« Hero Dyk ging ein paar Schritte zur Seite und trat zwischen zwei Gruppen riesiger Zypressen auf die Rasenfläche. Nach dem Winter sahen sie recht kahl und ungepflegt aus. Auch die Bäume hier oben wirkten noch ein wenig räudig und waren sehr dünn belaubt. Das alles wollte erst noch werden. Der Bürgerpark steht voller exotischer Bäume. Neben Buchen, Erlen, Kastanien, Eschen, Eichen und Fichten sieht man hier auch Ahorn und Ginkgo. Eine japanische Wundernuss wächst bei den Lebens-, Götter- und Mammutbäumen. All das trotzt dem harten Winter.
Pieter war mit dem Rad auf der Wiese deutlich im Nachteil.
»Halt dich da raus«, herrschte er Carlsson erneut an, und der Hund machte Platz. Pieter legte sein Rad auf den Rasen und ging Hero Dyk nach, immer auf Abstand bedacht, aber wie ein Tier im eigenen Revier auch darauf, den Gegner vom Gärtnerhaus wegzudrängen.
Hero Dyk lief zunächst rückwärts, um seinen Gegner nicht aus den Augen zu verlieren. Aber Pieter lieà ihm Platz, also drehte er sich schlieÃlich um und ging langsam in Richtung psychiatrische Klinik.
»Was wollen Sie von Jacqui?«, rief Pieter.
Hero Dyk blieb stehen und drehte sich um. »Ich frage mich, ob es ein Zufall ist, dass ich Sie so oft treffe. Ich selbst wohne nicht weit von hier und gehe gern im Park spazieren.«
Pieter antwortete nicht. Hero Dyk ging weiter, und Pieter folgte ihm. Sie kamen zu einem verwaisten Spielplatz. Der eine setzte sich auf eine Art Hocker, der über zwei Hörner verfügte, um sich festzuhalten. Er stand auf einer starken Feder, und man konnte heftig hin- und herwippen. Der andere setzte sich in eine Schaukel.
So starrten sie sich eine Weile an. Niemand sprach ein Wort. Keiner wollte irgendetwas von sich preisgeben. Hero Dyk machte sich ein paar Notizen, während Pieter zusah. SchlieÃlich erhob sich Hero Dyk und verlieà den Park, weil es ihm zu dumm wurde.
Pieter blieb noch kurz sitzen und versuchte, sich zu entspannen. Beide bewohnten völlig verschiedene Welten. Die Grenze war deutlich sichtbar, sie drückte sich jedoch nicht in Distanz aus, sondern in Nachbarschaft. So konnten sie sich nicht aus dem Weg gehen.
Im Januar 1998
Die Mutter hört nicht auf zu lachen. Sie will sich ausschütten vor Lachen. Ein schreiendes, hysterisches Lachen in den höchsten Tönen. Sie schüttelt sich.
Das Mädchen steht auf und bedeckt seine BlöÃe mit der Decke. »Bitte«, sagt sie. »Hören Sie doch auf zu lachen.«
»Du Flittchen«, höhnt die Mutter. »Dafür wirst du nicht bezahlt.«
Das Mädchen versucht, sich unter der Decke anzuziehen, aber die Frau reiÃt sie ihr vom Leib. Also bedeckt sie sich mühsam mit den Händen und rafft ihre Strickjacke zusammen. Sie krümmt sich und stellt sich in eine Ecke, damit sie weniger auffällt. Der Junge fletscht die Zähne, während die Mutter tobt. Sie geht zu ihm und schlägt ihm stumpf ins Gesicht, da ist er zunächst ruhig.
»Bitte«, wimmert das Mädchen. »Schlagen Sie ihn doch nicht. Das macht es nicht besser. Ich will doch nur helfen.«
»Ihm helfen?«, schreit die Mutter. »Ich werde dir gleich helfen. Was fällt dir ein?«
»Er tut mir so leid.«
»So, er tut dir leid. Und was ist mit mir? Tue ich dir auch leid? Ich schufte den ganzen Tag, um ihn durchzubringen. Ich quetsche mich aus wie eine Zitrone. Tut dir das leid? Was sagst du? Ich kann dich nicht verstehen.«
»Ihnen kann ich nicht helfen«, sagt das Mädchen
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