Piesberg in Flammen
dem sie ein langes Sommerkleid trug, oben tief ausgeschnitten. Sie sah am Betrachter vorbei und drehte sich im Tanz, das linke Bein angewinkelt, sie hatte sich im Sprung damit abgestoÃen. Eine kraftvolle Wade war zu sehen, die FüÃe nackt. In den Händen hielt sie ein Tamburin, auf das sie schlug. Ihr roter Mund rief laut. Die Kraft, die er in diesem Bild gesehen hatte, war Verwundbarkeit gewichen. Die kann sehr nützlich sein, wenn man sie pflegt. Jacqui trug die Haare kürzer und feste Stiefel an den früher bloÃen FüÃen. Ihre Frechheit war einer Traurigkeit gewichen, die man in Jacquis Gesten sah. Man roch sie unter ihrem Parfüm. Er hatte für sie geschwärmt, und sie zog ihn nach wie vor an. Heute jedoch schien sie ihm erreichbar zu sein. »Der Alkohol hat ihr zugesetzt«, notierte er. Aber er fand, sie sei noch nicht ganz zerstört.
Simon kam ihm wenig interessant vor, auch das war ihm eine Notiz wert.
Dann der Brand. Er hatte zwei Menschen sterben gesehen. Ein dritter verbrannte unbemerkt. Er war sich unsicher, was er dabei empfand. Was er wirklich fühlte. Abgesehen von dem Mitgefühl, das man erwarten darf. Angst vielleicht. Die Welt, die dort in Trümmer fiel, könnte seine eigene sein. Wut noch, dass so etwas möglich ist.
Von seinem Platz aus sah er Svetlana in der Küche arbeiten. Sie bereitete das Frühstück. Er notierte, was er bei ihrem Anblick empfand: Freude. Ruhe. Auch Schuld, denn er beachtete sie nicht entsprechend ihrem Wert. Das ist der Moment, in dem Männer daran denken, ihren Damen Blumen zu schenken. Sie winkte ihm zu.
Er notierte sich, wie sehr es ihn erschreckte, dass seine Mutter bei ihm wohnte. Es war noch kein Jahr her, dass sie ihn aus ihrem Haus am Dümmer See geworfen hatte. Er sollte in die Welt hinaus, so der Auftrag, und doch war er nur bis Osnabrück gekommen. Dort hatte er dieses Haus gekauft. Sie hatte ihm Svetlana geschickt, dabei hatte er geglaubt, frei zu entscheiden, als er sie einstellte. Doña Francisca wollte nachkommen, das war alles. Sie hatte genug gehabt vom Leben in der Natur. Es war ihm schwergefallen zu erkennen, dass er gelenkt wurde. Noch schwieriger war es, dies zuzulassen.
Hero Dyk lachte laut über sich selbst und ging rüber, um einen Kaffee zu trinken.
»Setzen Sie«, sagte Svetlana.
»Svetlana«, sagte Hero Dyk und strich sich Frischkäse auf ein Brötchen, »warum tragen Sie immer so langweilige Kostüme? Sie könnten sich was Netteres kaufen.«
»Ist nett genug«, sagte sie mit der nötigen Bestimmtheit. »Für mich ist nett genug.«
»Es steht heute in der Zeitung«, sagte er. »Dass Jacqui LaBelle auf meiner Party aufgetreten ist. Eike Freytag schreibt darüber. Der Reporter. Sie erinnern sich an ihn?«
»Und Lilly?«, mahnte Svetlana seine väterliche Fürsorge an.
»Sie liegt im Krankenhaus«, verteidigte sich Hero Dyk und erhob sich. »Dort wird sie wieder gesund. Ich meide Krankenhäuser. Hannah ist dort. Ihre Mutter.«
Er ging die CD holen und legte »Maantje timpe te« auf. Der Ausdruck soll aus dem Französischen stammen: »Mon dieu, tâapitoie.« Herr, erbarme dich.
Kaum klangen die ersten Töne durch das Haus, hörten sie Doña Francisca auf der Treppe stöhnen, als leide sie fürchterliche Schmerzen. Sie fragten nicht, was los sei, also ächzte sie etwas drängender. Es heiÃt, dass Babys nur schreien, wenn jemand in der Nähe ist, der es hören kann. Doña Francisca wurde von ähnlicher Ãkonomie bestimmt, aber Hero Dyk stellte einfach die Musik lauter. Sie würdigte ihn keines Blickes, als sie in der Küchentür stand. Verschlafen war sie und kaum zu einem klaren Gedanken fähig, aber schimpfen konnte sie. Die Musik gefiel ihr auch heute nicht.
»Jacqui LaBelle«, sagte Hero Dyk. »Ich â«
»Mach das aus«, unterbrach Francisca ihn. »Es bereitet mir Kopfschmerzen.«
»Dieses Lied nur«, sagte Hero Dyk. »Es ist gleich zu Ende.«
»Bitte«, sagte Doña Francisca, »wenn dir meine Kopfschmerzen egal sind. Svetlana, schenken Sie mir Kaffee ein. Und etwas trockenes Brot, falls Sie so lieb sind. Mehr möchte ich nicht.«
Resigniert schaltete Hero Dyk auf einen Nachrichtensender um.
»Mach es ganz aus.« Die kleine schwarze Frau stöhnte. »Bitte.«
Svetlana sah ihn bittend an, also gab er
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