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Piesberg in Flammen

Piesberg in Flammen

Titel: Piesberg in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich-Stefan Noelke
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kleinlaut.
    Â»Aber ihm? Du zeigst ihm die Titten, um zu helfen? Ist es das, was du denkst? Was hast du vor? Wie weit willst du gehen? Die Mutter bin ich. Du kannst mich nicht ersetzen.«
    Das Mädchen schweigt und nestelt an seiner Kleidung herum, bis es wieder nett aussieht. Der Junge beginnt unvermittelt zu heulen. Sein Gesicht verzieht sich vor Schmerz, sein ganzer Körper krümmt sich, aber es hilft nicht.
    Â»Ich kündige«, sagt das Mädchen leise, dann wird ihre Stimme fester. Sie räuspert sich. »Ich kann das nicht mehr mit ansehen. Sie sind so kalt zu ihm.«
    Â»So, du kündigst!«, schreit die Mutter. Sie spuckt ihren Hass heraus.
    Die beiden zucken zusammen.
    Â»Du verlangst, dass ich Ersatz suche. Ist das so? Jemand Neues, der auf ihn aufpasst. Doch das kommt nicht in Frage. Nein, nein, nein. Du bleibst hier und kümmerst dich weiter um ihn, sonst geht alles schief. Du kannst nicht einfach aufhören.«
    Ganz plötzlich läuft ein anderes Programm ab. Wo ihr Gesicht eben noch Härte zeigte, Schmalheit, zerfließt nun alles in breiten Falten. Das Glatte ist wie weggeblasen. Nun ist die Frau es, die wimmert. »Bitte«, fügt sie schluchzend hinzu.
    Doch das Mädchen hat sich gefangen. »Ich kann das nicht mehr. Es tut mir leid, aber jetzt geht es um mich. Ich werde krank, wenn ich das noch länger mitmache. Ich kündige. Es tut mir leid. Ich schaffe das nicht.« Damit geht sie zur Tür hinaus und reißt die Porzellanpuppe mit sich. Sie zerschellt auf dem Boden in tausend Scherben. Die Frau eilt hinter dem Mädchen her und versucht, es aufzuhalten, aber es reißt sich los.
    Der Junge kommt aus seiner Ecke geschossen. Er macht den Mund auf, und heraus kommt ein lang gezogenes, lautes »Neeein!« Dann ganz deutlich: »Bitte!«
    Er spricht ja doch!
    Er läuft dem Mädchen hinterher und klammert sich an dessen Beine. »Geh nicht!«, ruft er.
    Â»Hör dir das an«, fleht die Mutter. »Er spricht. Das hast du erreicht. Er hat die Sprache wieder. Das ist dein Werk.«
    Das Mädchen weigert sich und löst sich sanft, aber bestimmt von dem Jungen. »Es geht nicht mehr. Bitte verzeihen Sie mir.« Sie wirft die schwere Eingangstür hinter sich zu und rennt davon.
    Die Mutter hat den Jungen von nun an ganz für sich allein. Er lernt, sich zu wehren.

SECHS
    Hero Dyk hatte die ganze Nacht nicht schlafen können. Jacqui ging ihm durch den Kopf, die draußen vor der Stadt in ihrer Siedlung wohnte. Auch seine Mutter belebte seine Träume, die kleine schwarze Frau, deren Nähe er nicht entkam. Früh um vier hatte er das Klappern gehört, mit dem die Tageszeitung in den Briefkasten fiel. Um sechs Uhr schließlich war er aufgestanden und hatte im Lokalteil den Artikel von Eike Freytag gelesen, der Jacquis Auftritt beschrieb und den anschließenden Brand, als ob beides ursächlich zusammengehörte. Hero Dyks Geburtstag wurde als Grund für das Konzert erwähnt, was seinem Ego schmeichelte. Ein gesellschaftliches Ereignis in der Stadt. Freytag bedauerte, dass Jacqui kein neues Repertoire zum Besten gegeben hatte. Ein Interview hatte sie ihm auch nicht gegeben. Wenn es nichts Neues gibt, dann erfinden sie es. Ein großes Foto von Hero Dyk und Jacqui LaBelle zierte die Seite, daneben eines von dem zerstörten Haus. Hier fand sich auch eine noch vage Spekulation über die Brände. Die ersten Toten in der seit Wochen andauernden Brandserie seien zu beklagen. Das Wort »Totschlag« fiel, und zwischen den Zeilen las man Kritik an Hero Dyk, der seinen Geburtstag feierte, während gleich nebenan Menschen ums Leben kamen.
    Hero Dyk bereitete sich einen Tee, las die Zeitung zu Ende und setzte sich dann an seinen Schreibtisch. Im Patio hinter seinem Haus stand ein altes Waschhaus, das er zu seinem Büro umgebaut hatte. Hier pflegte er zu arbeiten. Er setzte sich, um routinemäßig die Notizen der letzten Tage in seinen Computer zu tippen. Wie ein Maler war er ständig auf der Suche nach Motiven, die er festhielt, um sie später in seinen Geschichten zu verwenden. Pieter interessierte ihn. Was trieb einen so jungen Mann dazu, einer alternden Sängerin zu dienen? Und Jacqui erst: Wie sehr hatte er als Pubertierender für sie geschwärmt! Ein erotisches Verlangen aus seiner Jugendzeit. Sie hatte seine Flegeljahre begleitet, in seinem Zimmer hing damals ein großes Poster von ihr, auf

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