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Piesberg in Flammen

Piesberg in Flammen

Titel: Piesberg in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich-Stefan Noelke
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nach.
    Â»Auch für mich einen Kaffee, bitte«, sagte er spöttisch, als wollte er nicht zurückstehen. Es war durchaus nicht seine Art, sich bedienen zu lassen.
    Â»Warst du bei Lilly?«, fragte Francisca nun ihrerseits, wohlwissend, dass das nicht der Fall war.
    Hero Dyk druckste auf seinem Hocker herum.
    Doña Francisca wischte das alles beiseite. »Tu endlich was!« Sie führte nicht näher aus, was genau sie erwartete.
    Schweigend saßen sie nebeneinander an der Theke. Hero Dyk stand als Erster wieder auf und ging rüber zu seinem Schreibhaus. Die Sonne schien mittlerweile in den Hof, überraschend warm für die Jahreszeit. Also öffnete er alle Fenster und Türen, um genügend frische Luft hereinzulassen, die ihn inspirieren sollte. Er legte die CD von Jacqui LaBelle auf und drehte den Ton laut. Aus einer Truhe nahm er ein Kissen und setzte sich auf einen der Eisenstühle, die noch vom letzten Jahr draußen standen. Doña Francisca hielt sich fern. Er schlug die Zeitung auf und wartete, was der Tag so bringen würde.
    Zunächst flog ein Butterbrot vor seine Füße. Eine fette Stulle, noch gut essbar und dick mit Leberwurst bestrichen, wie es schien.
    Ihm schwoll der Kamm, und er rief nach Svetlana. Das Brot kam ihm gerade recht.
    Â»Sehen Sie sich das an«, rief er. »Da wirft einer mit Leberwurstbroten. Ich weiß, wer das tut. Ich kenne den Kerl, das hat er schon mal getan.«
    Eine laute, junge Stimme vom Nachbarhaus klang zu ihnen herüber: »Tschakka!«
    Als riefe sie ihn.
    Â»Lassen Sie sich nicht provozieren«, riet Svetlana.
    Hero Dyk hob das Butterbrot auf und warf es in eine Tonne.
    Â»Das reicht mir jetzt«, sagte er. »Ich sage dem mal, was ich davon halte.«
    Svetlana versuchte, ihn zurückzuhalten. »Böse Leute«, sagte sie. »Provozieren nur.«
    Â»Dann lass ich mich jetzt provozieren.« Streitlust sprach aus seinen Augen. Die Wut auf seine Mutter suchte sich ein Ventil. Zumindest tat er etwas.
    Erneut rief die Stimme: »Tschakka!« Ein voller Joghurtbecher zerplatzte vor Hero Dyks Füßen.
    Â»Hallo?«, rief er. »Geht’s noch?«
    Das ganze Haus neben ihm wurde von Sozialfällen bewohnt. Ganz ähnlich wie das, das vorletzte Nacht gebrannt hatte. Eine schmale, dunkle Gasse trennte das Grundstück von seinem, sie gehörte zum Gebiet der Nachbarn. Hero Dyk besaß eine hohe Bretterwand auf der Grundstücksgrenze, in der es eine schwere Schiebetür gab, damit er seine Mülltonnen bis an die Straße bringen konnte.
    Er lauschte, hörte aber nichts mehr außer Jacqui LaBelles Musik und ihrem »Maantje timpe te«.
    Da fasste er sich ein Herz und zog die Tür zur Gasse auf. Das Geräusch der Kugellager spiegelte die Wut, mit der er das tat. Etwas vorsichtiger schob er die Nase in das Halbdunkel. Die Gasse lag voller Dreck. Halb ausgedrückte Leberwürste. Die Plastikverpackungen verschiedener Wurstsorten, Milchtüten und Papiertücher. Eine Einlegesohle, Socken und ein weiblicher Schlüpfer. Jetzt im April lagen da sogar noch Reste von dem roten Papier herum, mit dem die Kanonenschläge für Silvester verpackt waren. Das Erdgeschoss des Nachbarhauses besaß kein Fenster zum Durchgang, das im ersten Stock war geschlossen, nur das im zweiten stand weit nach innen offen.
    Niemand schrie ihm entgegen. Kein Laut drang aus dem Fensterloch im zweiten Stock. Eine gespannte Stille, die magisch anzieht. Etwas verbirgt sich in diesem Schweigen, aber man geht trotzdem, weil sich einem niemand in den Weg stellt.
    Â»Hallo?«, rief Hero Dyk erneut, bekam aber keine Antwort.
    Die Haustür war aus einem leichten Metall gefertigt wie der Zugang zu einem Kellergewölbe. Sie war nur angelehnt, und tatsächlich ähnelte das Treppenhaus dahinter einer engen Gruft. Die halbhoch weiß gekachelten Wände konnte man zu beiden Seiten mit ausgestreckten Armen fast erreichen, ebenso die weiß getünchte Gewölbedecke. Der Boden war mit einem hellgrauen Stein gelegt, die Fugen starrten vor Dreck. Eine nackte Glühbirne leuchtete unter der Decke, obwohl es heller Tag war. Rechts trug ein altes Sofa zu der klaustrophobischen Enge bei, es war tabakbraun, und über der Lehne gammelte schmutzige Wäsche vor sich hin. Gegenüber befand sich die einzige Tür auf dieser Ebene. Sie war braun und öffnete sich nach außen. Die Türklinke fehlte.
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