Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
Vom Netzwerk:
wiederfand. Bruder Hilpert war immer noch fassungslos, genau wie die Matrone, die überhaupt nicht wusste, wie ihr geschah. Husine č , Hlavá č ek und Isaak, der mit schreckgeweitetem Blick auf dem Kojenrand kauerte, erging es ebenso.
    »Der Tag des Zorns.«
    Aller Augen waren auf die Tür gerichtet, auch die von Berengar, dessen Hand beim Anblick des ganz in Schwarz gekleideten Kahlkopfes instinktiv an den Schwertknauf fuhr. Dank seines Freundes, der ihn gerade noch davon abhielt, ließ der Vogt jedoch von seinem Vorhaben ab. »Und mit wem haben wir das Vergnügen?«, fragte Bruder Hilpert, nachdem er Berengar zur Räson gebracht hatte.
    »Mit einem rechtschaffenen Christenmenschen, Bruder!«, versetzte der Finsterling, während überall an Deck Schritte, Waffengeklirr und halblaute Kommandorufe zu hören waren.
    Bruder Hilpert stutzte, und als der Finsterling, der ihm vage bekannt vorkam, vom Kapitän auf überschwängliche Weise willkommen geheißen wurde, verstand er die Welt nicht mehr.
    Bis, ja bis er sich an den Mann auf dem Mainkai in Karlsdorf erinnerte. Doch da war es längst zu spät, die ›Charon‹ in der Gewalt der Bewaffneten, die mit blank gezogener Waffe zur Tür hereindrängten.

     

SEXTA
    Worin Chlotilde Raab, dem Wahnsinn nahe, ihr verdientes Schicksal ereilt und der Kasus zu einem guten Ende gelangt.

     
    »Lasst ihn laufen!«, rief der Finsterling seinen Gefährten vom Achterdeck aus zu. Fast gleichzeitig griff sich der Komtur ein Packpferd, sprang in den Sattel und galoppierte in Richtung Klingenberg davon. »Mit dem lahmen alten Klepper kommt er sowieso nicht weit.«
    Bruder Hilpert, der genau wusste, was Berengar in diesem Moment dachte, lächelte ihm zu und sprach: »Wie gesagt: ›Wo kein Kläger, da kein Richter.‹ An dem, was er angerichtet hat, wird er genug zu kauen haben.«
    »Meinetwegen soll er dran ersticken!«, grantelte Berengar vor sich hin. »Und wenn nicht, zusehen, dass er mir nicht mehr über den Weg läuft.«
    »Gemach mein Freund, gemach«, redete ihm Bruder Hilpert gut zu und sah so unauffällig wie möglich zum Schiff hinüber. »Verglichen mit dem, was sich dort drüben gerade anbahnt, war der Komtur ein kleiner Fisch.«
    Berengar brummte etwas, das Bruder Hilpert geflissentlich überhörte, und wandte sich der in einem Seitenarm vertäuten ›Charon‹ zu. Der Tag würde nicht so schön werden wie gedacht, und der böige Wind, der durch das Geäst der Korbweiden fuhr, trug von Osten her pechschwarze Regenwolken heran. In längstens einer halben Stunde, vielleicht weniger, würde sich das Unwetter entladen, und die schwarz gewandeten Gestalten an Bord der ›Charon‹ arbeiteten in fieberhafter Hast. Sie hatten alle Hände voll zu tun, bargen das, was ihnen wertvoll erschien, um es anschließend auf die bereitstehenden Packpferde zu laden. Über allem erhob sich das Idiom ihres in Schwarz gekleideten Anführers, der ihnen unablässig harsche Befehle erteilte. Hlavá č ek, Husine č und Pavel sahen vom Ufer aus zu. Isaak saß auf einem Baumstumpf und starrte gedankenverloren vor sich hin. Ganz anders Caelina, die sich ein wenig abseits hielt und den Blick von den in Segeltuch eingenähten Leichnamen auf dem Vordeck nicht losreißen konnte.
    Und dann war es so weit. Die Ladung war gelöscht, die Reisighaufen, welche die Briganten am Ufer gesammelt hatten, überall auf dem Schiff verteilt. Als Letztes kam der Finsterling an die Reihe. Er nahm ein Fässchen zur Hand, öffnete es und kippte das darin befindliche Gemisch aus Pech, Schwefel und Salpeter überall auf der ›Charon‹ aus. Dann ging auch er von Bord, ein triumphierendes Lächeln im Gesicht.
    Was folgte, geschah beinahe wie von selbst. Der Finsterling drückte Hlavá č ek eine Pechfackel in die Hand, und der, nicht faul, schleuderte sie in hohem Bogen auf das Deck. Kurz darauf stand die ›Charon‹ in hellen Flammen. »Ist ja schließlich unser Schiff«, hörte Bruder Hilpert den Kapitän sagen, nicht ohne Wehmut, wie er erstaunt konstatierte.
    »Schade!«, raunte Bruder Hilpert Berengar zu. Dieser zog die Brauen hoch und schaute ihn verdutzt an. »Na, um die 900 Gulden –«, fügte er erklärend hinzu, »oder was hast du gedacht?«
    Kaum waren ihm die Worte über den Lippen, sollte Bruder Hilpert sie bereuen.
    Außer bei der Matrone, die mit glasigem Blick in das emporlodernde, von Feuergarben, dem herabstürzenden Rahsegel und berstenden Spanten angefachte Höllenfeuer starrte, war Bruder Hilperts

Weitere Kostenlose Bücher