Pilger des Zorns
Bemerkung inmitten des allgemeinen Getöses gänzlich unbemerkt geblieben. Das sollte sich jedoch ändern.
»Das Geld!«, kreischte die Matrone, dem Wahnsinn nahe, und stürmte mit gerafftem Rock auf das Fallreep zu. Obwohl jedermann wusste, auf was sie sich einließ, rührte keiner der Anwesenden einen Finger.
Auch Caelina nicht.
»Das Geld!«, ertönte es aus dem Inneren der Höllenglut, als die Haube der Matrone längst Feuer gefangen und Chlotilde Raab wie eine lebende Fackel auf dem Achterdeck der ›Charon‹ umherzutorkeln begann. Der Zutritt zur Kapitänskajüte, dem Hort ihrer Wünsche, blieb ihr indes verwehrt. Kaum hatte sie den Türgriff umklammert, wurde sie vom umstürzenden Hauptmast erschlagen. Im Glauben, die beiden prall gefüllten Börsen befänden sich immer noch auf dem Tisch.
Doch dem war nicht so. Sie befanden sich in Hlavá č eks Wams, der sie im Beisein von Bruder Hilpert hatte verschwinden lassen.
Folglich war alles ein Missverständnis, wenn auch das letzte, dem Chlotilde Raab in ihrem Leben unterliegen würde.
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»Ich hoffe, du weißt, was du tust, mein Kind!«, rief Bruder Hilpert Caelina zu, als sie sich auf den Rücken eines Schimmels schwang, ins Wanken geriet und an Pavel festklammerte.
»Auf alle Fälle, Bruder«, erwiderte Caelina, als sie wieder Halt gefunden hatte. Pavel, der sein Glück kaum fassen konnte, lächelte stillvergnügt vor sich hin. »Und danke.«
»Ich habe zu danken, junge Frau«, erwiderte Bruder Hilpert und winkte ihr zu.
»Ich sag ’ s ja nicht gerne, Mönch –«, warf Hlavá č ek ein, entknotete den Strick, mit dem er gefesselt worden war, und warf ihn achtlos ins Gras, »ich auch!« Dann schwang auch er sich in den Sattel.
»Womit das eigentlich Wichtige gesagt wäre«, ergänzte Husine č , dessen Grauschimmel ungeduldig mit den Hufen scharrte. »Gott befohlen, Bruder.«
»Gott befohlen«, wiederholte Bruder Hilpert und lächelte matt. Doch da war die Kavalkade der schwarzen Reiter, über denen sich ein schweres Unwetter zusammenbraute, bereits in der Ferne verschwunden.
»Merkwürdig, wer einem so alles über den Weg läuft!«, brummte Berengar, als sein Freund ihn von den Fesseln befreite.
»Religiöse Eiferer, von denen es heutzutage nicht gerade wenige gibt«, erklärte Bruder Hilpert lapidar. »Und damit reichlich Sprengstoff für die Zukunft.«
»Die meine ich nicht.«
»Sondern?«
»Die Tuchhändlerwitwe, den Komtur und Malachias. Sich als Pilger auszugeben – ich kann ’ s einfach nicht fassen.«
Bruder Hilpert wurde nachdenklich. »Du hast recht – heutzutage schreckt man eben vor nichts mehr zurück«, konstatierte er. »Nicht einmal davor, das Gewand des Pilgers für die eigenen Zwecke zu missbrauchen.«
»Pilger des Zorns, einer schlimmer als der andere.«
»Donnerwetter – an dir ist glatt ein Poet verloren gegangen«, rief Bruder Hilpert amüsiert aus. »›Pilger des Zorns‹ – muss ich mir unbedingt merken!«
»Ha, ha, ha.«
»Nun sei doch nicht gleich wieder beleidigt«, bereute Bruder Hilpert seine Hänseleien sofort.
»Schon gut«, lenkte Berengar ein, half Isaak auf und wandte sich wieder seinem Gefährten zu. »Und was jetzt?«
»Zeit für einen Becher Wein, findest du nicht auch?«, lautete die Antwort, auf die der Vogt insgeheim gehofft hatte.
»Da müssen wir uns aber beeilen«, entgegnete Berengar, nicht ohne einen besorgten Blick nach oben zu werfen. »Oder was sagt Ihr dazu, Meister Isaak?«
Zum ersten Mal seit längerer Zeit konnte der Bankier wieder lächeln. »Das Beste, was wir in der obwaltenden Situation tun können«, bekräftigte er.
»Dann auf nach Klingenberg!«, forderte Bruder Hilpert seine Mitreisenden auf. »Nach allem, was ich weiß, hält man dort immer einen guten Tropfen Spätburgunder bereit.«
KOMPLET
Worin die Freunde im STIFT SANKT PETER UND ALEXANDER zu ASCHAFFENBURG Abschied voneinander nehmen.
»Und – was denkst du?«, fragte Berengar, als er Seite an Seite mit Bruder Hilpert durch den in gleißendes Abendrot getauchten Kreuzgang wandelte. Die Glocken der Stiftskirche riefen zum Gebet, weshalb etliche Chorherren den Weg der Freunde kreuzten. »Ob es ihm gelingen wird, den Amtmann des Erzbischofs für sich einzunehmen?«
»Bei der Reputation, die Isaaks Oheim genießt, bin ich felsenfest davon überzeugt«, antwortete Bruder Hilpert und warf einen Blick auf das überlebensgroße Kruzifix, das den Mittelpunkt des von Rosenbeeten, Schwertlilien
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