Pilgern auf Französisch
durch hohen Farn und entdecken Häuser am Ende eines Tals.
Ramzi: »He, Said, ich glaub, das is Roncesvalles!«
Said: »Guy, ist das Roncesvalles?«
Guy kommt angelaufen: »Ja, das ist Roncesvalles.«
Mathilde: »Wir sind da! Das ist Roncesvalles.«
Die anderen gesellen sich zu ihnen, sie kreischen vor Freude.
Ramzi: »Is das schön!«
Guy: »Vorsicht! Wir haben noch fast achthundert Kilometer vor uns!«
Said: »Was?«
Ramzi: »Wie viel?«
Said: »Achthundert, das ist nicht wenig...«
Doch diese Information kann ihre Freude nicht trüben; sie haben diese albtraumhafte Etappe hinter sich gebracht, und sie sind noch alle zusammen!
Trotz zittriger Knie vergeht der Rest des Abstiegs wie im Flug.
Von Weitem sieht das Kloster beeindruckend aus, doch aus der Nähe betrachtet, ist das Ganze nach der Renovierung nur noch ein ziemlich geschmackloser Kasten.
Spanien ist erst spät aus dem Mittelalter erwacht, dann kam der Faschismus, und nun hat sich das Land Hals über Kopf in einen wilden Liberalismus und eine rücksichtslose Industrialisierung gestürzt, die seine Küsten, seine Kulturgüter und seine Landschaften zerstört.
Die Gruppe ist bei der nüchternen Klosteranlage angelangt und strebt fröhlich lachend und laut redend durch den Gewölbegang dem Pilgerbüro entgegen.
Hier beginnt der spanische Jakobsweg, überschattet von einem rückständigen Katholizismus. Überall in Spanien muss man sich als Pilger ausweisen, um einen Platz in einer Herberge zu bekommen — man muss buchstäblich zu Kreuze kriechen.
Selbst in Roncesvalles, wo Tausende Wanderer ankommen, die eine schreckliche Prüfung hinter sich haben, wird man von den Geistlichen und dem Personal unfreundlich und herablassend empfangen, denn in deren Augen und nach Ansicht der katholischen Kirche machen die Pilger einem nur das Leben schwer. Man gibt ihnen zu verstehen, dass sie, verglichen mit den ehrwürdigen Bewohnern des heiligen Ortes, nur nichtswürdige Würmer sind. Im Refektorium und überhaupt im ganzen Kloster bekommen die Pilger nichts zu essen, und so sind die erschöpften Wanderer gezwungen, in dem sündhaft teuren Restaurant neben der Abtei zu essen, das übrigens der Abtei selbst gehört. Um einen Schlafplatz zu bekommen, muss man ein Formular ausfüllen, und wenn der katholische Glaube nicht Ihr oberstes Motiv war, um die Pilgerreise zu unternehmen, können Sie eine böse Überraschung erleben: Man lässt Sie einfach nicht in die Herberge rein, und das nächste Hotel liegt eine Stunde Fußmarsch entfernt.
Unsere neun Wanderer füllen im Pilgerbüro also die Fragebogen aus, während ein Pater ihre Ausweise überprüft. Dann stehen sie da und warten auf das Urteil.
Der Pater: »Si puede dormir aquí, pero no tengo bastante camas para toda la gente...« Er deutet nacheinander auf jeden Einzelnen. »Uno, dos, tres, cuatro, cinco, seis — sí.« Dann deutet er auf Guy, Said und Ramzi: »El, el y el, no, disculpe.«
Elsa: »Was sagt er?«
Guy: »Dass er nur sechs Plätze hat und dass er Said, Ramzi und mich nicht beherbergen kann.«
Pierre: »Warum geht es bei uns und bei Ihnen nicht?«
Guy: »Das ist hier immer so. Man muss aussehen wie ein Durchschnittspilger. Dunkelhäutige sind nicht willkommen.«
Pierre packt die heiße Wut.
»Hören Sie mal, Pater, wir alle hier sind gemeinsam achthundert Kilometer marschiert, wir gehören zusammen, wir sind eine Gruppe. Gruppe — verstehen Sie? Wie Geschwister — klar? Und Geschwister trennt man nicht, sie müssen zusammenbleiben, Pater, denn nur so kommt man im Leben weiter: zusammen. Verstanden?«
Alle sind bass erstaunt über Pierres Redeschwall, allen voran Claude und Clara.
»Was ist denn in dich gefahren, Pierre?«
»Schnauze!«
»Selber Schnauze!«
»Bei uns ist es auch so, wir bleiben zusammen. Die Dunkelhäutigen und wir sind wie die Finger einer Hand, verstehen Sie? Man kann sie nicht trennen. Also, entweder schlafen Guy, Said und Ramzi auch in der Herberge, oder gar keiner von uns bleibt hier!«
Der Pater: »No hablo francés.«
Pierre: »Was hat er gesagt?«
Claude, mit strahlendem Lächeln: »Dass du ihn mal kannst!«
Pierre wird stinksauer, drohend baut er sich vor dem Pater auf: »Ich schlag Ihnen gleich die Fresse ein, Sie Scheißpfaffe! Ich habe die Nase voll von euch Kuttenträgern. Ihr geht uns auf die Nüsse und schreibt uns vor, was wir tun und lassen sollen, gleichzeitig aber führt ihr euch auf wie die Schweine! Franco ist tot, wach auf, du verkalktes
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