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Pilgern auf Französisch

Pilgern auf Französisch

Titel: Pilgern auf Französisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coline Serreau
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Weitergehen.
    »Also, wir sollten jetzt wirklich los — wir haben einen harten Aufstieg vor uns.«
    Er setzt sich an die Spitze der fünf Pilger, die ihm wie in Trance folgen.

    Clara, Claude und Pierre wenden sich in die entgegengesetzte Richtung.
    Plötzlich hält Pierre mitten auf der Straße inne, bleibt eine Weile wie erstarrt stehen, dann dreht er sich auf dem Absatz um. Entschlossenen Schrittes macht er sich auf den Weg in die Pyrenäen.
    Claude: »He, wo willst du denn hin?«
    Pierre geht rasch. Ohne den Kopf zu wenden, sagt er: »Ich mache weiter.«
    »Was machst du weiter?«
    »Den Weg.«
    »Bis wohin?«
    »Bis Santiago.«
    Claude läuft ihm hinterher. »Aber warum denn?«
    »Weil ich zu Ende bringen will, was ich angefangen habe. Ich höre doch nicht mittendrin auf.«
    »Wo mittendrin?«
    »Lass mich in Frieden, nimm deinen Bus, nimm dein Geld und vergiss mich!«
    Clara ist zu den beiden getreten:
    »Du willst bis nach Santiago wandern?«
    »Ja. Und? Was dagegen? Mir geht es gut auf dieser Wanderung, ich bin nicht mehr krank, und ich will Santiago sehen.«
    »Aber in Santiago gibt es nichts zu sehen. Da ist nur eine Kathedrale, und Kathedralen haben wir in Frankreich wirklich mehr als genug.«
    »Warum nehmt ihr nicht einfach euren Bus und verschwindet? Wieso rückt ihr mir auf die Pelle? Habe ich etwas von euch verlangt?«
    Er beschleunigt seine Schritte. Claude zwingt ihn anzuhalten, indem er ihn am Arm packt.
    »Was hast du vor? Willst du beweisen, dass du besser bist als wir? Toller als wir? Dass du alles tust, wie Maman es wollte?«
    »Jaja, ganz genau. Lässt du mich jetzt wohl los? Ich habe nie etwas richtig gemacht, alles habe ich immer nur getan, um Maman etwas zu beweisen — zum Beispiel dass ich liebenswert bin. Und wie du siehst, war alles falsch. Ich habe gar nichts vorzuweisen — mein Leben ist ein einziges Chaos, und das weißt du auch. Keiner liebt mich. Zu Hause habe ich nur eine jämmerliche Trinkerin, die ich ständig davon abhalten muss, sich umzubringen. Na und? Habe ich deswegen kein Recht zu leben? Und jetzt kommst auch noch du daher und gehst mir auf die Eier, weil ich zum ersten Mal in meinem Leben etwas tue, ohne jemand was beweisen zu wollen — einfach nur, um mit anderen Menschen zusammen zu sein und weil ich mich dabei wohlfühle. Dich, dich lieben alle! Und mit Frauen verstehst du dich doch auch prächtig. Was willst du mehr?«
    Pierre geht weiter, um seine Tränen zu verbergen.
    Clara und Claude bleiben eine ganze Weile stehen.
    Dann hat sich Clara entschieden. Sie folgt ihrem Bruder.
    Schließlich geht auch Claude hinterher, in Richtung Spanien.

DER AUFSTIEG AUF DEN PASS ist von Anfang an beschwerlich. Jeder kämpft still gegen die Schwerkraft an.
    Auf einmal sehen Elsa und Camille eine Gestalt am Wegesrand sitzen.
    Elsa: »Du, Camille, da ist schon eine zusammengebrochen.«
    »Wir sind noch nicht mal zwei Stunden unterwegs — wie wird das erst in fünf Stunden sein?«
    »Na, wen haben wir denn da? Das ist gar keine Frau... Oje, das ist ja mein leitender Angestellter von France-Telecom! Ich glaub’s nicht!«
    »Hattest du was mit dem?«
    »Nein, nein! Wir haben zusammen Pizza gegessen, Kaffee getrunken, koffeinfreien, und sind dann zum Schlafen in die Herberge zurückgegangen. Es war nur ein Traum.«
    Sie befinden sich nun auf der Höhe des Pilgers, der sich tatsächlich als der leitende Angestellte von France-Telecom entpuppt, völlig erschöpft sitzt er am Straßenrand auf seinem kaputten innovativen Decathlon- Rucksack.
    »Hallo! Probleme?«
    »Ich fahre zurück nach Biarritz.«
    »Ach ja? Warum denn das?«
    »Ich warte hier auf ein Taxi, das mich zurückbringt.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich bin total am Ende. Mir ist so schlecht, dass ich kaum noch sprechen kann. Das Pilgern bekommt mir nicht.«
    Camille: »Sie sind vielleicht ein bisschen zu früh aufgebrochen und ein bisschen zu schnell gegangen. Ohne Training ist es am Anfang wirklich anstrengend.«
    »Nein, nein, darum geht es nicht. Nein, ich werde doch lieber segeln gehen.«
    »Aber Segeln ist auch anstrengend.«
    »Na ja, Wandern ist jedenfalls nichts für mich, das ist etwas für Prolls.«
    In der Ferne entdecken sie drei kleine Punkte: drei Pilger.

    Elsa: »Na sag mal, wen sehe ich denn da? Ist das nicht Pierre?«
    Camille: »Da kommen ja auch Claude und Clara... Hallo! Alles klar? Kommen Sie jetzt doch mit?«
    Pierre: »Ich schon. Was die beiden anderen wollen, weiß ich nicht.«
    Claude: »Wir

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