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Pilgern auf Französisch

Pilgern auf Französisch

Titel: Pilgern auf Französisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coline Serreau
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Bergen.
    Am schlimmsten ist es, von den Erhebungen aus die vielen hundert Kilometer monotone Landschaft zu überblicken, die sich vor den Pilgern erstrecken und die sie hinter sich bringen müssen.

    Claudes und Mathildes Beziehung geht zu Ende.
    Claude: »Seit zwei Tagen hast du nicht mehr mit mir gesprochen. Bist du sauer?«
    »Nein... doch...«
    »Warum?«
    »Als ich neulich auf dieser Brücke in Saint-Jean-Pied-de-Port gehört habe, dass du nach Hause fahren kannst, habe ich einen Stich verspürt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich so gern mag... Und dann habe ich einen zweiten Stich bekommen, als ich beobachtete, wie froh du warst, nach Paris zurückkehren zu können. Die Vorstellung, dass wir uns trennen müssen, hat dich nicht im Geringsten traurig gemacht.«
    »Du übertreibst. Ich bin zurückgekommen, das ist doch der Beweis.«
    »Du bist nicht meinetwegen zurückgekommen. Auf dieser Brücke ist mir alles klar geworden.«
    »Was ist dir klar geworden?«
    »Dass ich mein ganzes Leben hinter Männern wie dir hergelaufen bin. Dass ich mein ganzes Leben lang krank gewesen bin und dass ich nun geheilt bin.«
    »Du solltest Männer und Krebs nicht in einem Atemzug nennen. Krebs ist jedenfalls viel gefährlicher, als Männer es sind.«
    »Was weißt du schon über Krebs? In zwei, drei Jahren, wenn du auch Krebs hast, sprechen wir uns wieder, dann können wir uns über alles unterhalten, und vielleicht haben wir dann sogar etwas gemeinsam. Dein Krebs wächst nämlich schon im Verborgenen, in deiner Leber, und schwelgt im Alkohol, den du ständig in dich hineinschüttest. Aber im Moment haben wir uns nichts zu sagen.«
    »Haben dir unsere gemeinsamen Nächte denn nicht gefallen?«
    »O doch, und wie! Es waren die schönsten Nächte meines Lebens. Doch das Leben besteht nicht nur daraus — das Leben muss man leben. Du aber willst sterben. Ich nicht.«
    »Ich glaube, ich liebe dich...«
    »Ich weiß, dass ich dich liebe, ich danke dir für alles — vor allem, dass du mich von dir geheilt hast.«
    Ihr Weg hat sie zu einem Brunnen auf dem Platz eines verlassenen Dorfs mit gelben Häusern geführt. Sie gehen um den Brunnen herum, der eine rechts, der andere links.
    So trennen sich ihre Wege.

    Es ist so heiß, dass Said und Ramzi ihre T-Shirts zusammengerollt und sich auf den Kopf gelegt haben, um sich vor der Sonne zu schützen. Unter ihren Turbanen wandern sie mit nacktem Oberkörper, schön wie die Könige der Wüste.
    Ramzi ist traurig:
    »Hat Elsa nichts von meiner Mutter gehört?«
    »Nein, Camilles Mutter hinterlässt ihr immer wieder Nachrichten, aber sie ruft nicht zurück.«
    »Was treibt sie bloß?«
    »Vielleicht ist sie bei Verwandten.«
    »Vielleicht ist sie krank.«
    »Warum sollte sie krank sein?«
    »Manchmal geht sie ins Krankenhaus.«
    »Ach, Unsinn!«
    Langes Schweigen.
    »Du, Ramzi, ich muss dir was sagen... Ich habe dir eine Lügengeschichte erzählt...«
    »Ich weiß. Wir gehn nich nach Mekka.«
    »Nein, aber du hast lesen gelernt...«
    »Gehn wir nach Santiago de Compostela?«
    »Ja, das ist das Mekka der anderen.«
    »Clara hat mir erzählt, dass der heilige Jakob so’n Dreckskerl war. Man nannte ihn Matamoros. Weißte, was das bedeutet? Maurentöter. Er hat Mauren umgebracht. Und weißte, wer die Mauren waren? Araber wie wir. Es gibt Statuen, wo er abgebildet ist, wie er ’nen Haufen Araber wie uns tötet.«
    »Echt?«
    »Echt.«
    »Das ist ja ekelhaft. Das wusste ich nicht...«
    »Und meinste, Camille weiß, dass der heilige Jakob so einer war?«
    »Weiß nicht...«
    »Meinste, sie liebt dich?«
    »Ja, sie liebt mich.«
    »Meinste, sie liebt uns Araber?«
    »Natürlich.«
    »Meinste, sie würde nach Santiago-Matamoros pilgern, wenn sie die Araber lieben würde?«
    »Ich weiß nicht...«
    »Was sollen wir nur meiner Mutter erzählen?«
    Said, den Ramzi mit seinen Zweifeln und Ängsten angesteckt und ganz unsicher gemacht hat, bleibt stehen, sieht seinem Vetter in die Augen und sagt trocken: »Dass du lesen kannst.«

    Claude hat seine Fröhlichkeit verloren, Guy die seine wiedergefunden.
    Nachdem Guy gespürt hat, dass Claude aus dem Rennen ist, nähert er sich Mathilde vorsichtig und geht oft neben ihr.
    »Wie steht’s bei Ihnen zu Hause?«, fragt sie ihn.
    »Mir geht es schlecht, den anderen gut. Fred ist eingezogen. Meine Kinder mögen ihn sehr, meine Frau auch... Sein größter Vorzug — er ist jeden Tag zu Hause.«
    »Das ist nicht schlecht.«
    »Ja.«
    »Es wird schwer für Sie,

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