Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilgern auf Französisch

Pilgern auf Französisch

Titel: Pilgern auf Französisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coline Serreau
Vom Netzwerk:
Wege derer zusammenlaufen, die den spanischen Teil beginnen, und jener, die den französischen Teil hinter sich haben und die Wanderung nun durch Spanien hindurch fortsetzen wollen, und so ist die Herberge oft überfüllt.
    Um halb fünf am Morgen klingelt das Handy des leitenden Angestellten von France-Telecom in voller Lautstärke. Er hat einen Weckruf eingestellt, der Kavallerieangriff heißt — ein Titel, der genau zu dieser Tonfolge passt: Der ganze Schlafsaal wacht auf.
    Ramzi wird aus einem verworrenen Traum gerissen, erschrocken fährt er auf.
    »Ist es so weit? Müssen wir schon gehen?«
    Said beruhigt ihn.
    »Nein, nein, schlaf weiter, wir haben noch Zeit.«
    Der leitende Angestellte springt aus dem Bett, schaltet das Licht an und schlendert pfeifend und türenschlagend in den Waschraum. Dreimal zieht er die Wasserspülung und putzt sich singend die Zähne.
    Im Saal kommt großer Unmut auf.
    Pierre: »Wer ist denn dieser Quälgeist?«
    Clara: »Das ist ja wohl nicht wahr! Wie spät ist es denn?«
    Pierre sieht auf seine Armbanduhr. »Halb fünf.«
    Clara: »Halb fünf. Das ist ja unmöglich!«
    Der leitende Angestellte von France-Telecom hat seine Morgenwäsche beendet und kommt zurück in den Schlafsaal, um sich anzuziehen. Im Vorbeigehen schlägt er mit der Zahnbürste an alle Bettpfosten, was ihn ungeheuer amüsiert.
    Claude: »Das ist doch die Höhe, Sie Blödmann!«
    Mathilde: »So ein Arschloch! Unglaublich!«
    Der leitende Angestellte zieht sich singend an. »Und jetzt noch das Regencape und dann die Schuhe...«
    Alle, ausnahmslos alle Pilger sind wach geworden und wälzen sich auf ihren quietschenden, knirschenden Eisenbetten herum.
    Pierre schreit: »Halten Sie jetzt endlich Ihre Schnauze?«
    Clara echot: »Halten Sie jetzt wohl endlich mal die Schnauze?«
    Der leitende Angestellte nimmt seinen Rucksack und setzt ihn so schwungvoll auf, dass er im Vorübergehen an Guys Bett stößt. Guy gerät ziemlich außer sich.
    »Also hören Sie mal! Dass man die Leute nicht beim Schlafen stört, ist ja wohl das Mindeste, was man an Respekt erwarten kann!«
    Der Telecom-Typ lacht ihm ins Gesicht.
    »Und wer kommt als Erster in der Herberge an? Los, aufstehen, ihr Faulpelze! Weiter geht’s, marsch, marsch!« Er pfeift den Kavallerieangriff. »Küsschen, Elsa!«
    Er haut kräftig gegen Elsas Bett, schlägt die Tür des Schlafsaals zu und geht singend von dannen: Dadada dada. Das Licht lässt er brennen.
    Camille: »Woher kennst du denn diese Pestbeule?«
    Elsa ist zu müde, um zu antworten, sie ist schon wieder eingeschlafen.

    Einige Stunden später passiert die Gruppe das alte Spitzbogentor von Saint-Jean-Pied-de-Port, das auf die Brücke über die Nive führt. Unter der Brücke ist der Fluss seicht und klar, so klar, dass man zwischen den Kieseln Forellen stehen sieht.
    Mitten auf der Brücke macht Guy halt und dreht sich zu seinen acht Pilgern um:
    »Also, den französischen Teil des Weges haben Sie hinter sich, vor Ihnen liegen die Pyrenäen, danach kommt Spanien. Die heutige Etappe wird ein wenig anstrengend. Clara, Claude und Pierre, ich muss Ihnen jetzt etwas mitteilen... etwas gestehen. Ihre Mutter hat in ihrem Testament nämlich verfügt, dass Sie die Wanderung beenden dürfen, wenn Sie wirklich zusammen von Le Puy-en-Velay bis nach Saint-Jean-Pied-de-Port gepilgert sind. Ich darf Ihnen das erst heute sagen. Sie haben den Letzten Willen Ihrer Mutter erfüllt und dürfen nun Ihr Erbe antreten — für Sie ist der Weg hier zu Ende. In einer Dreiviertelstunde fährt vom Platz aus ein Bus nach Biarritz, dort haben Sie eine Zugverbindung nach Paris. Ich verabschiede mich von Ihnen und wünsche Ihnen viel Glück. Trotz der kleinen Unstimmigkeiten war es mir eine Freude, mit Ihnen zu wandern.«
    Alle sind wie vom Blitz getroffen.
    Clara: »Warten Sie — heißt das, wir sind hier fertig? Wir dürfen nach Hause fahren?«
    Guy: »Ja.«
    Pierre: »Die Wanderung ist zu Ende?«
    Guy: »Ja, ja! Sie dürfen nach Hause zurückkehren, es ist vorbei. Rufen Sie Ihren Anwalt an, wenn Sie wollen, er wird es Ihnen bestätigen.«
    Claude: »Toll!«
    Guy: »Gehen Sie nur, es ist alles in Ordnung.«
    Zum Abschied nimmt er Pierre in die Arme, Pierre weiß nicht, wie ihm geschieht. Die anderen stehen da wie unter Schock, vor allem Mathilde und Ramzi sind wie gelähmt.
    Die Geschwister verabschieden sich von der Gruppe, nehmen alle in ihre Arme.
    Aus Angst vor Gefühlsausbrüchen drängt Guy seine Gruppe zum

Weitere Kostenlose Bücher