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Pilgern auf Französisch

Pilgern auf Französisch

Titel: Pilgern auf Französisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coline Serreau
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Regenponchos, die auch den Rucksack bedecken und in denen sie aussehen wie Bucklige.
    Spindeldürre Hunde streunen umher, mitten auf dem Weg steht ein schiefes Kreuz. Haufen von herabgefallenen Mauersteinen liegen am Straßenrand, und wenn es überhaupt Dächer gibt, dann bestehen sie aus Blech oder Pappkartons.
    Lediglich die Herberge und eine Bar haben sich einigermaßen gehalten.
    Claude ist verschwunden.
    Guy: »Wer hat ihn zuletzt gesehen?«
    Clara: »Ich weiß schon, wo er ist, aber ich hole ihn nicht.«
    Pierre: »Ich auch nicht. In letzter Zeit haben wir es ja geschafft, uns nicht mehr so oft zu streiten, und wenn ich mich jetzt einmische...«
    Guy: »Dann gehe ich selbst.«
    Sein Blick kreuzt Mathildes Blick, die sehr gut weiß, warum es Claude schlecht geht, aber nichts mehr für ihn tun kann.
    Die anderen setzen sich in den Straßenstaub und warten; eine Pause ist immer willkommen.
    Guy geht zur Bar.
    Außen ist das Haus mit Relikten der amerikanischen Fünfzigerjahre geschmückt, als der Cowboy- und Ranchmythos vorherrschend war.
    Auf den Werbeplakaten in »Lucky-Luke«-Schrift prangen Informationen, die den erschöpften Wanderer anlocken sollen: Bar, Cowboy, mesón, camino de Santiago, de lo bueno lo mejor, bocadillos, tapas, el mejor café del mundo, desayunos, Miko-Nestlé, tutti pasta, exquisito jamón y buena compañia. Und auf einer Tafel steht mit Kreide: empanada, tortilla, callos, fabada, huevos, Schweppes, sopa und dazu die Zeichnung einer dampfenden Suppe.
    Zu beiden Seiten des Eingangs wirbt je ein Brett für »sidra natural« und »embutidos«. Ein halbmondförmiges blaues Schild aus Sperrholz auf zwei Hohlblockmauern weist den Weg zum WC und zum Gartenlokal und verspricht »agua es potable beber«. Coca-Cola ist allgegenwärtig, of course.
    Die Inneneinrichtung ist so schrill, dass man mehrere Seiten brauchen würde, wollte man sie schildern. Um es kurz zu machen: Die Wände sind mit den unterschiedlichsten Gegenständen behängt, mit Bratpfannen und den unvermeidlichen Stierkampfplakaten, mit Kalebassen, marokkanischen Teppichen, Glocken, mit einem Gemälde, das einen Angriff berittener Cowboys mit erhobenen, qualmenden Schießeisen darstellt, mit Maiskolben, mit zahlreichen Hüten, offenbar Cowboyhüten, mit Jagdtrophäen und den genauso unvermeidlichen Kastagnetten...
    Das wirkliche Kultobjekt dieser Lokalität aber überzieht die hintere Wand — auf fünf Regalbrettern stehen in engen Reihen alle möglichen Spirituosen. In Formen und Farben aus aller Herren Länder ist dort das ganze Sammelsurium von Flaschen ausgestellt, die bis zum heutigen Tag erfunden wurden, und wartet nur darauf, die Kehlen und die exotischsten Wünsche zu befriedigen. Etliche Flaschen wurden sogar nur für diese Bar hergestellt, die sich im Nebel des verfallenen Dorfs verliert, Flaschen, die man nirgendwo sonst je wieder sehen wird...
    Bei diesem Regen drängen sich Pilger und Dorfbewohner in der Bar, es ist gestopft voll.
    Dichter Zigarettenrauch umhüllt Menschen und Dinge, er verleiht dem Gemälde das Sfumato und lässt das Lokal gleich einem verschwommenen Traum wirken.
    Wie in Frankreich war damals auch in Spanien der Nichtraucherschutz noch ausgesprochen unterentwickelt, das heißt, der Staat schmierte auf der einen Seite fröhlich die Zigarettenindustrie und auf der anderen Seite die Pharmaunternehmen, indem er ihnen half, aus der geringeren Lebenserwartung der Menschen viel Kapital zu schlagen.
    Die Einheimischen und die Stammpilger des »Kneipenwegs« treiben den Geräuschpegel in der Bar immer höher, die Stimmung ist ausgelassen.
    Claude steht sturzbetrunken am Tresen.
    Guy geht auf ihn zu. Als Claude ihn erblickt, sagt er spöttisch:
    »Ach, sieh mal einer an! Da ist ja unser lieber Coach!«
    »Hallo... Bitte ein Bier.«
    »Und einen doppelten Whisky für mich.«
    »Alles klar?«
    »Alles klar. Wollen Sie mich holen?«
    »Ja. Wir haben uns gefragt, wo Sie wohl abgeblieben sind.«
    »In der Bar, ich bin immer in der Bar... Morgens, mittags, abends, wunderbar, sonderbar, Sansibar... Das ist mein Leben.«
    »Na ja...«
    Guy sieht zu, wie Claude an seinem Glas nippt. Claude tut ihm leid, so wie alle, die ihre Verletzlichkeit und ihre Hilflosigkeit mit aufsässiger Provokation kaschieren müssen.
    Claude trinkt sein Glas aus.
    »Sie werden sich mit ihr sehr wohlfühlen.«
    Guy schweigt.
    »Sie ist super im Bett. Na ja, was heißt Bett... es war eher auf der Wiese.«
    Claude provoziert weiter. Guy bleibt

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