Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
sich noch kein Stadtrat für eine Flurbereinigung der Altstadt
begeistern können. Wenn man alles abreißen würde, könnte man locker die vier- bis
fünffache Bevölkerungsmenge unterbringen. Man müsste nur etwas mehr in die Höhe
bauen. – Natürlich nicht so hoch wie der Dom«, ergänzte er schnell.
Kurz darauf
bog er unmittelbar vor dem Museum, in dem sich der Domschatz befand, links ab. Ja,
Speyer konnte stolz auf seine Einbahnstraßenregelungen sein. Er fuhr durch die Engelsgasse,
die ausnahmsweise keine Einbahnstraße war, sondern eine künstliche Sackgasse, und
beides zusammen vertrug sich nicht besonders. Am Ende bog er links ab und fuhr durch
ein Hoftor. Wir gelangten auf einen größeren Parkplatz. Nach dem Aussteigen konnte
ich das Bischöfliche Ordinariat von seiner südlichen Rückseite bestaunen. Zur Straßenfront
hin bestand es aus drei langgezogenen Gebäuden, die aneinander gebaut waren, aber
in der Tiefe leicht versetzt zueinander standen. Am linken Ende ging ein weiterer
Anbau westlich im rechten Winkel ab.
»Da sind
Sie ja eine Viertelstunde unterwegs, wenn Sie von einem Ende ans andere müssen.«
»Nicht nur
das«, antwortete Wolf. »Die früher getrennten Gebäude haben leicht unterschiedlich
hohe Geschossdecken. Daher gibt’s nur wenige Übergänge. Wenn Sie zum Beispiel von
dem oberen Stockwerk dieses Gebäudes –«, er zeigte auf das mittlere, »zum rechten
wollen, was Luftlinie nur ein paar Meter sind, müssen Sie zuerst ins Erdgeschoss
runter, einen langen Flur an der Poststelle vorbei und ein anderes Treppenhaus nach
oben nehmen. Wir haben mal ein Skelett gefunden, wahrscheinlich von einem Praktikanten,
der sich verlaufen hatte.«
Ich glotzte
doof, und er lachte. »War nur ein Witz. Aber neue Mitarbeiter brauchen schon eine
Weile, um sich in diesem Irrgarten zurechtzufinden.«
Wolf ging
mit mir eine kleine Freitreppe hinauf und öffnete mit einem seiner zahlreichen Schlüssel
eine Tür. Nach einem oder zwei Richtungswechsel trafen wir auf einen quer verlaufenden
Flur. Wir gingen links, und wenige Meter später entdeckte ich rechter Hand in einem
offenen Raum eine Dame, die mir bekannt vorkam. Da ich im gleichen Moment die verglaste
Durchreiche zum Flur des Haupteinganges entdeckte, wusste ich, wo ich und wer sie
war.
»Hallo«,
begrüßte ich sie und winkte. »Haben Sie inzwischen Ihre Morseapparate wieder in
Betrieb oder steigen Sie im Bistum endgültig auf modernes Teufelswerk wie Telefon
um?«
Die Dame
war schlagfertig wie beim letzten Mal. »So schnell geht das bei der Kirche nicht,
mein Herr. Wir werden es erst mal mit Rauchzeichen und Flaggenalphabet versuchen.«
Wir lachten,
und Wolf stand belämmert daneben. »Das muss ich jetzt nicht verstehen, oder?«, fragte
er verwirrt.
»Ich bin
heute zum zweiten Mal hier, Herr Wolf. Ein wenig kenne ich mich im Ordinariat bereits
aus.«
»Ach so,
dann brauche ich Sie gar nicht mehr herumzuführen. Ich dachte, Sie wollten sich
alles ansehen.«
Mit einem
freundlichen Handzeichen verabschiedete ich mich von der Empfangsdame und wandte
mich dem Kanzleidirektor zu.
»Genau deswegen
sind wir hier. Ich kenne bisher nur den Haupteingang, das Fräulein vom Empfang und
das James-Bond Konferenzzimmer einen Stock höher.«
»James Bond?
Meinen Sie unser neues Sitzungszimmer?« Er überlegte. »Sie haben recht, das sieht
in der Tat sehr futuristisch aus.«
Er deutete
mit der Hand in Richtung Treppenhaus.
»Lassen
Sie uns zunächst in mein Büro gehen, um die weiteren Schritte zu besprechen.«
Wir liefen
die hölzerne Wendeltreppe einen Stock nach oben. Direkt hinter dem Eingang zum Sitzungszimmer
begann ein endlos langer Flur. Es sah wie in einem Museum aus. Ein antik aussehender
Läufer lag auf dem Boden, und an den Wänden hingen riesige Gemälde von anscheinend
wichtigen Personen der länger zurückliegenden Vergangenheit. Fast alle Porträts
strahlten Autorität und eine gewisse Wohlhabenheit aus. Wahrscheinlich waren es
allesamt Könige und Kaiser, die irgendetwas Historisches bewegt hatten.
Wolf ging
in das zweite Büro auf der gegenüberliegenden Flurseite. Es war ein funktional eingerichtetes
Amtszimmer mit Computer und Kaffeemaschine. Auf beiden Querseiten befanden sich
offenstehende Türen, die in benachbarte Büros führten. Im Hintergrund war ein großes
Fenster mit Blick auf den Hof zu sehen. Eine Frau wechselte gerade den Toner eines
Kopierers aus.
»Das ist
Sandra Hollmann«, stellte er mir die Frau vor. »Sie ist als
Weitere Kostenlose Bücher