Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
Chefsekretärin für mich
zuständig –«, er zeigte in das rechte der benachbarten Büros, »und für den Generalvikar
Dr. Alt.« Er zeigte auf die andere Seite.
Wie aufs
Stichwort trat Dr. Alt aus seinem Reich.
»Guten Tag,
Herr Palzki. Ich freue mich, Sie zu sehen.«
Was jetzt
passierte, ließ mich zum wiederholten Mal an meinen Sinnen zweifeln. Erlebte ich
das wirklich oder war alles nur ein verworrener Traum? Dr. Alt ging zu einem Sideboard,
auf dem die Kaffeemaschine stand, die der im Peregrinus-Verlag ähnelte. Vielleicht
war sie eine Nuance kleiner, aber sei’s drum. Der Generalvikar öffnete wie selbstverständlich
den Plexiglasdeckel des Kaffeebohnenbehälters, schnappte sich zwei oder drei Kaffeebohnen
und steckte sich diese genüsslich in den Mund. Dass jemand Tabak kaute, okay, Schnupftabak
in die Nase steckte, auch okay. Ich kannte sogar jemanden, der Kiwis mit Schale
aß. Das alles konnte man mit einem bisschen guten Willen tolerieren oder aus demokratischen
Gründen einem fiktiven Minderheitenschutzprogramm zuordnen. Aber Kaffeebohnen essen?
»Wie weit
sind Sie inzwischen, meine Herren? Falls es Sie interessiert, ich habe inzwischen
das Gutachten von der Domsache vorliegen. Es steht zweifelsfrei fest, dass der Metallrahmen
absichtlich gelöst wurde. Man hat die Befestigungsschrauben gefunden, die unversehrt
waren. Diese Person muss irgendwie zur Orgelempore gelangt sein. Ohne Schlüssel
käme man da nur mit einem Dietrich rein. Ich habe mit Herrn Diefenbach vereinbart,
die Sache zunächst nicht offiziell an die große Glocke zu hängen. Daher können wir
auch nicht nach Zeugen suchen.«
Wolf kratzte
sich am Kopf. »Herr Generalvikar, ich hatte Sie in der Vergangenheit öfter darauf
hingewiesen, dass die alten Buntbartschlösser im Dom keine ausreichende Sicherheit
darstellen. Vor allem, wenn man bedenkt, welche wertvollen Sachen im Kaisersaal
stehen.«
Als Polizeibeamter
wurde ich hellhörig. »Stehen da oben Wertsachen? Hat man überprüft, ob noch alles
da ist?«
Dr. Alt
holte sich Nachschub an der Kaffeemaschine.
»Selbstverständlich,
Herr Palzki. Die Gegenstände sind aber sehr groß und schwer. Die trägt man nicht
einfach ungesehen fort.«
Wolf unterbrach
ihn. »Können Sie sich erinnern, wie jemand im Ordinariat den großen Getränkeautomaten
aus dem Aufenthaltsraum geklaut hat? Der oder die Diebe müssen diesen am helllichten
Tag an allen Büros vorbei zum Ausgang geschleppt haben.«
Dr. Alt
winkte ab. »Ich bitte Sie, Herr Wolf. Ein Getränkeautomat ist ein Klacks gegen die
schweren Steinfiguren im Kaisersaal. Ohne Flaschenzug geht da überhaupt nichts.«
»Ich schaue
mir das nachher mit Herrn Wolf an«, schloss ich, um die Diskussion zu beenden. Der
Generalvikar wollte noch etwas sagen. »Ich habe inzwischen mit Herrn Diefenbach
telefonieren können. Ihr Chef hat Sie bis zu Ihrem Urlaub freigestellt, damit Sie
sich ausschließlich um unser Problem kümmern können. Er meinte, dass sowieso niemand
bemerken würde, wenn Sie im Dienst abwesend wären.«
Der Generalvikar
verabschiedete sich, schnappte sich noch eine Handvoll Kaffeebohnen und ging in
sein Büro. Ich folgte Herrn Wolf in das andere. Meine Erwartungen bezüglich der
Ausstattung seines Reiches wurden nicht erfüllt. Ein Schreibtisch in normaler Größe,
ein kleiner Besprechungstisch sowie ein normaler Computer. Es waren weder ein großer
IT-Schrank noch 1.000 elektronische Kästen wie bei Fratelli vorhanden. Wir setzten
uns an den Besprechungstisch.
»Soll ich
uns einen Kaffee bringen lassen?«
Ich verneinte
aus Sicherheitsgründen. »Mir hat vorhin der afrikanische Kaffee gereicht.«
»Afrikanischer
Kaffee? Wie kommen Sie auf so etwas, Herr Palzki?«
»Ich meine
den Kaffee aus Togo, den wir getrunken haben.«
Wolf verstand
das Wortspiel und wir lachten. Er sah sich in Zugzwang und erzählte ebenfalls einen
Witz.
»Als ich
mal vor ein paar Jahren nach Italien in Urlaub gefahren bin, hat der Zollbeamte
mich durch das offene Wagenfenster gefragt: Alkohol, Zigaretten? Da habe ich geantwortet:
Nein danke, zwei Kaffee mit Milch und Zucker, bitte.«
Wir wurden
wieder ernst. Wolf schaute auf die Uhr. »Allzu viel Zeit bleibt uns für die Führung
durch das Ordinariat nicht. Was wir heute nicht schaffen, zeige ich Ihnen morgen.
Ich glaube, wir fangen im Westflügel an.«
Ich war
einverstanden und folgte ihm den langen Läuferflur entlang. Überall hingen die riesigen
Königs- und Kaisergemälde.
»Das sind
alles
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