Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
wollen?«, fragte Wolf mehr sich selbst. »Das Zeug ist doch total alt,
rissig und verschmutzt.«
Auch ich
konnte mir auf diese Sache keinen Reim machen.
»Da bleibt
uns wahrscheinlich nichts anderes übrig, als Fratelli direkt zu fragen«, schloss
ich. »Zunächst behalten wir diese Information bitte für uns, Herr Wolf. Wir warten
mit unserer Frage eine passende Gelegenheit ab. Auf die Schnelle wird er das Zeug
wohl nicht abtransportieren können.«
Der Kanzleidirektor
schloss sich meiner Empfehlung an. Ihm ging es wie mir: nur schnell raus an die
frische Luft.
Der Weg
zum Dom war kurz, aber nicht ereignislos. Der verrückte Dr. Metzger saß hinter seinem
Pilgermobil vor einem mittelprächtigen Bruchsteinhaufen. Eine ungefähr zwei Dutzend
Personen zählende Menschenschlange stand ihm in Reih und Glied gegenüber. Unfassbar,
der Notarzt hatte seine Drohung wahr gemacht. In dem Steinhaufen, bestimmt hatte
er sich diesen von einer Deponie liefern lassen, steckte ein Werbeschild. ›Original
Domsteine in diversen Größen‹ stand darauf zu lesen. Und in etwas kleinerer Schrift
›5 Euro bis 25 Euro – je nach Gewicht und Qualität‹.
Wir schlichen
an dem Pilgermobil vorbei in Richtung Dom. Dr. Metzger bemerkte uns nicht.
In der Vorhalle
gingen wir nach links zu einer unscheinbar wirkenden Tür. Der Kanzleidirektor zog
seinen Schlüsselbund aus der Tasche und benutzte einen der wenigen Buntbartschlüssel,
die sich daran befanden.
»Mit diesem
Schlüssel kann ich sämtliche Räume im Dom öffnen, selbst die Sakristei.«
Wieder so
ein kirchlicher Begriff, dachte ich. Gehört hatte ich ihn schon öfter, aber so richtig
zuordnen konnte ich ihn nicht. Ich beschloss, mir keine Blöße zu geben und Jungkollege
Jürgen danach recherchieren zu lassen. Der würde dazu bestimmt ein paar Informationen
bei Wikipedia oder Google finden.
Es ging
eine steinerne Wendeltreppe mit erstaunlich niedrigen Stufenhöhen nach oben.
»Tut mir
leid, hier gibt’s keinen Aufzug.«
»Ja, ja,
machen Sie nur Witze«, antwortete ich. »Als ob es im Dom einen Aufzug geben würde.
Warum nicht auch einen Mobilfunkmast auf einem der Türme?«
Wolf blieb
abrupt stehen. »Sagen Sie das mal lieber nicht Herrn Fratelli, der nimmt das für
bare Münze. Aber es gibt tatsächlich einen Aufzug im Dom, Herr Palzki. Hinten in
der Sakristei. Die ist dreistöckig und seit 40 Jahren mit einem elektrischen Lift
verbunden.«
Irgendetwas
Wichtiges musste sich in den Räumen mit dem komischen Namen befinden. Ich nahm mir
vor, bei Gelegenheit auch dieses Geheimnis zu lösen.
Nach ein
paar Umdrehungen auf der Wendeltreppe, ich kam nur unwesentlich ins Schwitzen und
hatte Seitenstechen, hatten wir ein Podest erreicht, von dem mehrere Türen abgingen.
Wolf öffnete die rechte und ließ mich hineinschauen. Ich blickte in einen riesigen
Saal, der die Größe der Vorhalle haben musste. Überall lagen Baumaterial und Gerüste
herum.
»Das ist
der Kaisersaal«, sagte Wolf, und Stolz klang aus seiner Stimme. Ende des Jahres
wird er für die Öffentlichkeit zugänglich sein.«
»Ich dachte,
hier sollen wertvolle Sachen herumstehen?«
Wolf nickte.
»Die hat man ganz hinten in der Ecke zusammengestellt und gut verpackt. Die sind
ja so schwer, die kann man nicht schnell mal woanders hin bringen. In ein paar Monaten
stehen sie wieder an den richtigen Stellen. Aber kommen Sie, wir wollen uns ja die
Orgel anschauen.«
Wir verließen
den Kaisersaal, und der Kanzleidirektor schloss die linke Tür auf. Ein etwa fünf
Meter langer Gang verbarg sich dahinter, der am Ende durch eine Glastür abgetrennt
war.
»Das ist
eine Schallschutztür«, erklärte Wolf. »Wenn die Orgel gespielt wird, hören sie hier
keinen Ton. – Solange die Tür zu ist«, ergänzte er.
Er öffnete
die Glastür, und wir kamen in einen sonderbaren Raum. Der Holzboden sah aus wie
eine Tribüne. Auf drei Seiten des Raumes gingen mehrere Stufen nach unten zu einer
ebenen Fläche. Die vierte Seite des Raumes wurde durch eine Brüstung begrenzt. Und
über der Brüstung bot sich eine fantastische Aussicht. Wie magisch angezogen ging
ich darauf zu und stolperte fast über die Stufen. Ich stand hinter der Brüstung
und konnte das komplette Dominnere des Langhauses überblicken. So gewaltig der Dom
bereits aus der Bodenperspektive wirkte, hier zeigte er seine wahre Größe. Ergriffen
starrte ich in Richtung Altar, und mir lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter.
Solch eine Perspektive, solch ein
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