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Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)

Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)

Titel: Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schneider
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mir wieder Stefanie in den Sinn. Dumm gelaufen, ich
hatte vergessen, sie anzurufen. Das wird mir wieder ein paar Punktabzüge einbringen.
Sicherheitshalber testete ich mein Handy, die Empfangsbereitschaft war gegeben.
    Der Vortrag
begann. Pfarrer Gregorius Lapa begrüßte die knapp 100 anwesenden Personen und führte
mit ein paar Sätzen ins Thema ein, bevor er Marco Fratelli und Robert Nönn vorstellte.

11
Ein Knalleffekt
     
    Die Rocker und der Rest der Zuhörer
klatschten. Becker stieß mich in die Seite, was mich aufgrund seiner Grobmotorik
fast vom Sitz warf.
    »Da, schauen
Sie mal da rüber«, forderte er mich auf.
    »Haben Sie
ihn auch schon bemerkt, guten Morgen, Herr Becker!«
    Jener übernervöse
Kerl mit den wirrsten abstehenden Haaren, die ich je gesehen hatte, war mir bereits
vor Minuten aufgefallen. Der ungefähr Fünfzigjährige trug verwaschene Cordhosen,
was an und für sich ein Hinweis auf einen traumatisierten Lehrer sein konnte. Das
viel zu große rotgemusterte Holzfällerhemd schlotterte über seinem mageren Brustkorb,
und seine ausgeprägten Backenknochen mahlten ohne Unterlass. Alles an ihm zitterte.
Erst während der Begrüßungsrede von Pfarrer Lapa war er in den Saal geschlüpft.
Zunächst setzte er sich in die fast leere zweite Reihe hinter die Rockergruppe,
dann überlegte er es sich anders und rückte drei Reihen nach hinten. Er schien nur
wenig auf den Vortrag zu achten. Wichtiger war ihm, Augenkontakt zu den beiden Protagonisten
zu halten. Mal schaute er links an seinem Vordermann vorbei, um den Chefredakteur
besser sehen zu können, mal blickte er rechts vorbei, um Fratelli anzustarren.
    Ich hatte
mich so sehr auf die Beobachtung dieses Individuums konzentriert, dass mir eine
andere Sache erst jetzt auffiel: der Vortrag der beiden Peregrinus-Leute. Was diese
zwei auf der Bühne im Stehen vorführten, war reine Schauspielkunst. Normalerweise
blickte man bei solchen Vorträgen ein oder zwei Stunden auf die Halbglatze des Redners,
der sich hinter einem Tisch mit obligatorischer Blumenvase und Mineralwasserflasche
verschanzte. Solche Vortragenden verflossen mit ihren Texten, und das Publikum wurde
nebensächlich. Es gab keine optischen Reize und Abwechslungen, keine akustischen
Höhepunkte, einfach nur ein phonetisches Hineinwerfen des Manuskriptes in den Raum.
    Hier war
alles anders. Nur mit Stichwortzettel bewaffnet, lieferten sich Nönn und Fratelli
Dialogschlachten, die bis aufs Feinste abgestimmt waren. Alles klang druckreif.
Vielleicht hatten sie die Texte auswendig gelernt oder die Stichwortzettel sorgten
für einen stringenten Redefluss.
    Nönn stellte
zunächst in einem Monolog die Gesamtsituation zur Zeit der Salier dar, dann folgten
Darstellungen der vier salischen Kaiser in entsprechenden Kapiteln. Fratelli mimte
den Kaiser, der in einer Art Selbstgespräch von den akuten Problemen seiner Zeit
sprach. Ab und zu wurden die kaiserlichen Gedanken von Nönn unterbrochen, der die
jeweilige Kaiserin zu Wort kommen ließ. Bisher war mir unbekannt, welchen hohen
politischen und gesellschaftlichen Einfluss die Gemahlinnen auf ihre Männer nehmen
konnten. Immer, wenn ein neues Kapitel oder ein neues Thema anstand, gab Nönn mit
einer anderen Stimmlage, die wie aus dem ›Off‹ klang, einführende Worte.
    Ich war
hingerissen, der ganze Saal war begeistert, mehrfach gab es wilden Szenenapplaus.
Einmal standen sogar die Rocker geschlossen auf und klatschten, was das Zeug hielt.
Nur der nervöse Lehrertyp applaudierte nie. Er saß nur da und starrte auf die Akteure.
Unterbrochen wurde dieser starre Blick ausschließlich von einem häufigen Glotzen
auf die Armbanduhr.
    Sogar Wolf
vergaß zeitweise, sein Handy zu streicheln. Innerlich hatte er sich wohl auf einen
peinlichen Auftritt der beiden eingestellt. Doch selbst er konnte sich der Gewalt
der Worte nicht entziehen. Immer seltener wurde er von seinem Handy abgelenkt.
    So hätte
der Abend weitergehen können. Eine friedliche Idylle, selbst an die starken Männer
in der ersten Reihe hatte man sich gewöhnt, überzog die spannungsgeladene Atmosphäre
längst vergangener Epochen. Seit Tagen fühlte ich mich das erste Mal so richtig
erholt und entspannt. Die ganze Hektik und die merkwürdigen Erlebnisse verblassten
gegen diese Aufführung. Der Vortrag war in meinen Augen nur mit einem zu vergleichen:
Einem windstillen Abend bei angenehmen Temperaturen auf meiner Terrasse mit einem
Glas Weizenbier in der Hand. Ich bemerkte, wie mein Körper,

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