Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
hatte mal eines in einer Vortragspause gegessen. In der zweiten Hälfte konnte
ich mich fast nicht mehr richtig artikulieren, weil das Mohnzeug in meinem ganzen
Gebiss hing. Der Veranstalter hatte sogar gemeint, ich hätte in der Pause dem Alkohol
zu kräftig zugesprochen. Dabei trinke ich überhaupt nicht.«
Ich bedankte
mich für diesen Tipp und freute mich, dass solche Dinge nicht nur immer mir selbst
passierten. Doch mit meinen begrenzten irdischen Möglichkeiten konnte ich weder
rohen in gekochten Schinken verwandeln noch Wasser in Bier.
Drei oder
vier Rocker hatten ein paar Kästen Weizenbier aus dem Vortragssaal gerettet und
verteilten die Flaschen unter den Anwesenden. Da es sich um alkoholfreies Bier handelte,
haderte ich mit mir selbst. Doch mein Durst gewann mit einem Kantersieg. Selbst
die drei Polizeibeamten genehmigten sich jeweils eine Flasche, was eigentlich nicht
korrekt war. Aber seit KPD offiziell das Zigarrenrauchen in den Streifenwagen erlaubt
hatte, wunderte ich mich über solche Dinge nicht mehr. Der Gefangene selbst erhielt
nichts zu trinken. Er saß, völlig eingeschüchtert, auf einem kleinen Hocker. Ich
kam zufällig in die Nähe des ermittelnden Beamten und stieß mit ihm mit der Flasche
an, was das kohlensäurehaltige Weizenbier dazu veranlasste, in einem spontanen Schwall
über den Rand der Flasche zu laufen. Es fehlte zwar die Musik, aber ansonsten sah
es eher nach Party aus: Fast jeder hielt eine Flasche in der Hand, manche Unbelehrbare
ein Häppchen mit rohem Schinken, und dazu die gnadenlose Enge. Hier fand der Spruch
»Keiner steht abseits«, den die Kolpingfamilie Schifferstadt im Jahr 2011 zu ihrem
110. Geburtstag auf T-Shirts drucken ließ, seine Vollendung.
»Hat er
schon gestanden, unser Lehrer?«, fragte ich den Kollegen in legerem Party-Ton.
»Wieso Lehrer?«
Der Beamte stutzte, bis ihn der Aha-Effekt ereilte, und er sich mit der flachen
Hand an die Stirn schlug. »Ach, Sie meinen wegen den Cordhosen?« Er lachte. »Guter
Ansatz, trifft aber nicht immer ins Schwarze. Meine Tochter hat kürzlich einen neuen
Lehrer bekommen, der steht die ganze Stunde vor der Tafel, spielt mit einem Kugelschreiber,
den er in der Hand hat, und hält abgedrehte und unverständliche Monologe. Wissen
Sie, was das bedeutet?«
»Alter Hut.
Das ist ein Quereinsteiger, der vorher in einer Unternehmensberatung gearbeitet
hat.«
»Respekt,
Herr Palzki. In der Vorderpfalz scheint es gutes und psychologisch geschultes Personal
zu geben.« Er zeigte auf die Cordhose. »Mit dem kommen wir nicht weiter. Der sitzt
bloß da, zittert und brummelt an einem Stück ›Das waren die Signale!‹ Ich warte
nur darauf, dass er die Internationale singt.«
Ganz klar,
dies war wieder mal ein Fall für Kriminalhauptkommissar Reiner Palzki aus Schifferstadt.
Wie mein Kollege bereits festgestellt hatte, zählte ich zu den psychologisch bestgeschulten
Beamten der Vorderpfalz. Daher stand ich unter Erfolgszwang. Mit dem mir verinnerlichten
Fingerspitzengefühl für die Feinheiten der Sprache, der Mimik und der Gestik, sprach
ich den mutmaßlichen Täter an.
»Hallo,
Verrück-, äh, hallo, Meister, wie geht’s uns denn so?«
Er blickte
kurz zu mir auf, mahlte mit seinem Kinn und nuschelte: »Das waren die Signale!«
»Ja, ich
weiß«, konterte ich und versuchte, tiefer in sein Bewusstsein zu gelangen. »Die
Signale waren recht deutlich. Ich selbst bin mir auch darüber im Klaren, was sie
zu bedeuten haben. Nur tue ich mich leider schwer, die Unwissenden hier im Raum
zu überzeugen. Hätten Sie da vielleicht eine Argumentationshilfe für mich?«
Ein zaghaftes
Lächeln huschte über sein Gesicht. »Niemand außer mir hat bisher die Signale erkannt.«
Ich schnappte
mir einen Hocker, den jemand unter den Tisch geschoben hatte, und setzte mich neben
ihn. Gleiche Augenhöhe war sehr wichtig.
»Jetzt sind
wir bereits zu zweit, gemeinsam sind wir stark. Tut mir leid, dass ich etwas länger
gebraucht habe als Sie. Was ist bisher passiert?«
Zögernd
streckte er mir seine Hand entgegen. »Ich bin der Friedrich.«
Ich schlug
ein. »Sag Reiner zu mir.«
Wir schauten
uns ein paar Sekunden stumm in die Augen, sodass er Zeit hatte, mit der für ihn
neuen Situation umzugehen.
»Die Zisterzienser
sind wieder da«, flüsterte mir Friedrich zu. »Sie sind überall, sie werden immer
mehr.«
»Ich weiß«,
bestätigte ich. »Das ist wirklich sehr übel. Was haben die bisher alles angestellt?
Vielleicht können wir bei der Polizei
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