Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
während des Vortrages unauffällig im Hintergrund bleiben
und auf keinen Fall Aufmerksamkeit erregen. Ich werde mich neben Sie setzen. Falls
Sie glauben, den anonymen Briefeschreiber zu entdecken, geben Sie mir ein kleines
Zeichen. Und das Gleiche gilt für Ihren seltsamen Bücherfreund. Haben Sie das verstanden?«
Becker nickte
und hörte damit erst wieder auf, als wir in der Kirche waren und Pfarrer Lapa mit
seinem Vortrag begann.
»Unsere
Otterberger Abteikirche ist fast 70 Meter lang, da haben die Reinigungskräfte ganz
schön was zu tun. Sie ist übrigens eine Simultankirche und wird von evangelischen
und katholischen Christen gleichermaßen genutzt.«
Er ging
mit uns nach vorne.
»Hier, schauen
Sie, die Kirchenbänke im Querschiff dienen den katholischen Christen, die Einzelstühle
im Langhaus den evangelischen Christen. Bis vor 40 Jahren waren die beiden Bereiche
durch eine Mauer getrennt. Wir waren also fast 20 Jahre schneller als die DDR.«
Gregorius
Lapa lachte, und zeitgleich kam Herr Lemens aus einer Tür des Querschiffes heraus.
»Herr Pfarrer,
bitte, kommen Sie schnell, wir haben Probleme!«
»Bitte entschuldigen
Sie«, sagte er ohne Hektik zu uns. »Mein Rat als Problemlöser ist gefragt. Aber,
da fällt mir ein, kommen Sie doch gleich mit, die Tür führt direkt in den Kapitelsaal.
Dann haben wir unsere Führung halt ein wenig verkürzt. Ich kann Ihnen später gerne
eine Broschüre mitgeben, wenn Sie weitere Details interessieren.«
Zusammen
mit Lapa kamen wir durch eine Seitentür und eine kleine Treppe in den Vortragssaal,
der bereits recht gut mit Zuschauern bestückt war.
»S’ wert
doch Mengerabatt gewe, odder?«
Die laute
und prägnante Stimme kam aus Richtung Eingang. Dort hatten fleißige Gemeindemitglieder
an einem Tisch die Eintrittskasse aufgebaut. Verwundert rieb ich mir die Augen.
Rund ein Dutzend wild tätowierter Rocker verlangte Einlass. Ich schätzte das Ensemble
auf 100 bis 150 Jahre Freiheitsentzug.
So gut wie
jeder Veranstalter würde sich in solch einer Situation in die Hose machen und die
Polizei anrufen. Nicht so Pfarrer Lapa. Er ging direkt auf die Männer im Leder-Look
zu und begrüßte sie.
»Guten Abend,
meine Herren. Ich freue mich, dass Sie zu unserer Vortragsreihe kommen. Gibt es
hier ein Problem, das wir lösen wollen?«
Fast erwartete
ich, dass der vordere Rocker, der besonders kräftig und schlagerfahren aussah, seinen
Totschläger auspackte.
»Des kriee
mer schunn hi, Herr Parrer. Ich will doch nur de Rabatt fer Gruppe hawe, dann wird
unser Vereinskass net so belascht.«
Lapa lächelte
freundlich und antwortete. »Selbstverständlich erhalten Sie bei uns Vergünstigungen.
Jeder zahlt, soviel er kann. Wenn Ihre Vereinskasse mal besser gefüllt sein sollte,
freuen wir uns auf eine Spende.«
»Dess is jo subber, Herr Parrer. Des laaft bei Ihne wies Lottche.
Mer sinn schunn ganz neigierich, was mer heit iwwer die Kaiser erfahre. Des is mordsinteressant.«
Pfarrer
Lapa selbst kassierte den schrägen Verein ab, und die Rocker setzten sich in die
erste Reihe. Ein paar gingen vorher zur Getränketheke und besorgten für sich und
die Kollegen ein Serviertablett voll alkoholfreiem Weizenbier. »Mer misse jo nochert
noch fahre«, war die Begründung.
In Schifferstadt
hätte ich in dieser Situation unauffällig die Bereitschaftspolizei oder gar ein
Spezialeinsatzkommando bestellt. Hier nahm ich mir nur vor, die Sache zu beobachten.
Ich setzte mich mit Becker und seinem Freund in die letzte Reihe.
»Die könnten
doch für die Briefe verantwortlich sein«, flüsterte mir Becker zu.
»Niemals«,
antwortete ich. »Die sehen mir nicht danach aus, als würden sie Briefe schreiben,
wenn sie ein Problem haben. Außerdem, was sollen diese Rocker mit einem Kloster?«
»Na ja,
immerhin scheinen Sie sich für die Kaiser zu interessieren«, antwortete Becker ausnahmsweise
schlagfertig.
»Warten
Sie’s ab. Vielleicht haben die nur was falsch verstanden und warten jetzt auf einen
Liveauftritt von Franz Beckenbauer.«
Auf der
anderen Seite hatte sich Wolf neben mich gesetzt. Seit wir das Pfarrhaus verlassen
hatten, war er in eines seiner Handys versunken. Es war so ein neumodisches Ding
mit großem Display. Ständig wischte er mit seinen Fingern darauf herum. In der Kirche
hatte ich ihm ein Taschentuch angeboten, um die Anzeige richtig sauber zu bekommen.
Jetzt steckte er sich sogar einen dieser Stöpsel ins Ohr. Wie meine Tochter Melanie,
dachte ich. Und zack, da kam
Weitere Kostenlose Bücher