Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
Den
Wegweiser zur Ausstellung fand ich sofort. Zunächst schaute ich aber am Gebäude
vorbei auf ein riesiges Areal, das zum Teil als Grünfläche, zum anderen Teil als
Garten angelegt war. Insgesamt sah es unwirklich aus. Solch eine riesige Anlage
mitten im Zentrum von Speyer? Das musste ich mir demnächst unbedingt mal als Luftbild
ansehen.
Hinter der
Eingangstür begann ein Flur. Gleich rechts stand eine Tür offen.
Der Raum
hatte etwa die Größe eines Schulsaals. Unzählige Fotos und Bilder hingen an den
Wänden oder lagen neben alten Büchern in den zahlreich vorhandenen Tischvitrinen.
Dazwischen standen oder hingen andere Gegenstände, die ich spontan nicht zuordnen
konnte.
In einer
Ecke standen Fratelli und Schwester Amaranda.
»Hallo,
Herr Palzki«, begrüßte mich der Geschäftsführer. »Haben Sie mich gesucht? Darf ich
Ihnen Schwester Amaranda vorstellen?«
Die Schwester
gab mir die Hand und begrüßte mich ebenfalls.
»Waren Sie
schon einmal hier, Herr Palzki?«
»Nein, leider
noch nicht.«
»Das muss
Ihnen nicht leid tun. Die Edith-Stein-Ausstellung ist eben nicht sehr bekannt. Ab
und zu kommen aber Vereine vorbei oder Firmgruppen.«
»Haben diese
Ausstellungsstücke alle was mit Edith Stein zu tun?«, fragte ich ungläubig aufgrund
der immensen Vielfalt.
»Selbstverständlich«,
antwortete Schwester Amaranda. »Sie hat von 1923 bis 1931 bei uns im Kloster unterrichtet
und wurde 1998 heilig gesprochen. Bei uns lebt sogar noch eine Schwester, die sich
erinnern kann, wie sie als Schulanfängerin das ›Fräulein Doktor‹ gesehen hat, so
sagte man früher zu den Lehrerinnen.«
»Das ist
wirklich sehr interessant«, antwortete ich und wunderte mich, dass in diesem Kloster
so offen mit Besuchern umgegangen wurde.
»Das freut
mich. Schauen Sie sich gerne in Ruhe um. Ich kann Ihnen auch das ehemalige Zimmer
von Edith Stein zeigen oder unsere Klosterkirche.«
»Bei Gelegenheit
hole ich das bestimmt nach«, entgegnete ich und meinte es ernst. »Leider habe ich
einen wichtigen Termin mit Herrn Fratelli.«
Schwester
Amaranda schien darüber nicht traurig zu sein. »Kommen Sie gerne wieder Herr Palzki,
wann immer Sie möchten.«
Dann wandte
sie sich an den Geschäftsführer. »Es würde mich freuen, wenn es klappen würde. Sagen
Sie mir bitte Bescheid?«
»Ich sehe
da kein Problem«, antwortete dieser. »Ich muss jetzt leider mit Herrn Palzki rüber
ins Büro.«
Nach einer
kurzen Verabschiedung liefen wir gemeinsam zurück zum Verlagsgebäude.
»Was wollen
Sie im Kloster machen, Herr Fratelli?« Ich war sehr neugierig geworden.
»Ach, nichts
Besonderes. Für die Ausstellung haben die Schwestern sogenannte Sprachtonträger
in verschiedenen Sprachen über das Leben von Edith Stein, die sie Besuchergruppen
vorspielen. Die Schwestern haben erfahren, dass ich der italienischen Sprache mächtig
bin. Deshalb hat mich Schwester Amaranda gefragt, ob ich den Text für italienische
Besucher übersetzen und sprechen könnte. Selbstverständlich werde ich das gerne
machen.«
Während
wir in sein Büro gingen, schaute er mich an. »Sie sehen heute ziemlich übermüdet
aus. Darf man Ihnen gratulieren?«
Oh, hatte
es sich bereits herumgesprochen, dass ich im Alleingang die Grundschule gerettet
hatte.
»Man tut
halt, was man kann«, antwortete ich bescheiden. »Alles muss man heutzutage alleine
machen. Es war zwar sehr gefährlich, was ich da gemacht habe, aber immerhin habe
ich die Existenz der Grundschule gerettet.«
Fratelli
lachte, und ich bediente mich an den Keksen. »Na ja, die Schule unterrichtet bestimmt
nicht nur Ihre Kinder. Ist es ein Junge geworden?«
Ich bemerkte,
dass wir aneinander vorbei gesprochen hatten.
»Ach so,
Sie meinen die Geburt. Nein, die ist erst mal zurückgestellt. Die Wehen haben wieder
aufgehört.«
Und wieder
nahm ich eine Handvoll Kekse.
Der Verlagsgeschäftsführer
war durch meine Kommentare komplett verwirrt. »Wie auch immer. Ich freue mich, dass
Sie weiterhin ermitteln. Dieser Attentäter wird langsam wirklich lästig.«
Frau Mönch
kam mit ihrem obligatorischen Nutellabrötchen herein, wahrscheinlich stand das Essen
von Nutellabrötchen in ihrem Arbeitsvertrag. Sie begrüßte mich, teilte mir mit,
wie schlecht ich aussehen würde, und überreichte mir ein Fax.
»Das ist
vorhin von Ihrer Dienststelle gekommen, Herr Palzki. Streng vertraulich, steht darüber.«
Sie sah mich seltsam an.
Das Fax
von Jürgen hatte es in sich.
›Lieber
Reiner, den ersten Teil der
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