Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
erst losgetreten. Fakt ist, dass wir nicht wissen, was los ist
und wie viele Kriminelle sich in der Schule befinden. Außer den Lehrern meine ich,
aber die haben sich verbarrikadiert.«
Das kam
mir alles sehr verworren und seltsam vor.
»Warum sind
überhaupt Lehrer in der Schule? Normalerweise verschwinden die am letzten Schultag
unmittelbar nach der vierten Stunde in Richtung Autobahn.«
»Dieses
Geheimnis haben wir inzwischen lösen können«, mischte sich ein leitender Beamter
des Spezialeinsatzkommandos ein, der gerade hinzugekommen war. »Da es in der Vergangenheit
so viele Beschwerden über die immense Freizeit der Lehrer gab, die sich angeblich
in den Ferien auf den Unterricht vorbereiten, aber vom ersten bis zum letzten Tag
in Urlaub fahren, hat der Schulleiter eine kleine Schikane eingebaut. Er hat für
alle verpflichtend eine Lehrerkonferenz mitten in den Osterferien angesetzt. Wer
nicht daran teilnimmt, wird mit doppelter Pausenaufsicht und Kaffeekochen für alle
bestraft. Innerhalb des Kollegiums kommt das dem Teeren und Federn sehr nahe.«
Na endlich,
dachte ich. Endlich mal jemand, der die Wahrheit erkannt hatte und einschritt. Doch
das erklärte nicht die besondere Einsatzlage. Irgendjemand musste den Anfang gemacht
haben. Ich überlegte und lief in Richtung Pfarrzentrum Sankt Jakobus, wo sich bereits
zahlreiche Gaffer eingefunden hatten. Verwundert entdeckte ich meinen Sohn Paul,
der mit einem Freund in erster Reihe stand. Gut, er war Frühaufsteher, aber wie
hatte er von dieser Sache erfahren? Inzwischen hatte er mich ebenfalls bemerkt.
»Hallo,
Papa, geile Sache, gell? Endlich kriegen die Lehrer mal ihr Fett ab.«
»Woher weißt
du, dass da Lehrer drin sind?«, fragte ich scharf und schaute mich nach Jutta um,
die erfreulicherweise mit dem Einsatzleiter des SEK in ein Gespräch vertieft war.
Paul druckste
herum. »Die Tante von meinem Freund Michael ist Lehrerin. Sie sitzt auch im Lehrerzimmer
und hat bestimmt eine Riesenangst.«
Mir dämmerte
etwas. Etwas Böses. Ich zog Paul ein paar Schritte zur Seite.
»Warst du
das mit dem Polizeiband?«
Er nickte
sofort, ein Unrechtbewusstsein schien ihm unbekannt. »Hab ich alles richtig gemacht,
Papa? Das ist das Band, das ich in Speyer organisiert habe.«
Meine Befürchtungen
hatten sich bewahrheitet. Nun war Schadenbegrenzung angesagt. »Hast du von dem Band
noch was übrig?«
Er schüttelte
den Kopf. »Alles aufgebraucht, Papa, das hat voll lang gedauert. Ich will mit dem
Michael nächste Woche das Rathaus absperren, weil du immer über die Leute vom Rathaus
schimpfst. Kannst du mir eine neue Rolle aus deinem Büro mitbringen?«
Paul sah
das alles als großes Spiel an. Zum Glück war er strafunmündig. Trotzdem, die Häme
würde an mir hängen bleiben. Außerdem würde man behaupten, dass ich ihm das Band
gegeben hätte.
»Paul«,
ich sprach sehr eindringlich »das mit dem Band darf niemand erfahren, hast du verstanden?«
Eben noch
euphorisch, nickte mein Sohn betrübt. »Schade, ich hätte darüber nach den Ferien
gerne einen Aufsatz geschrieben. Unsere Lehrerin will ja jedes Mal wissen, was wir
in den Ferien gemacht haben.«
»Nein, über
diese Sache schreibst du auf keinen Fall einen Aufsatz. Schreib von mir aus über
unseren Besuch im Dom am vergangenen Sonntag.«
»Auch gut«,
meinte Paul. »Dann kann ich wenigstens schreiben, wo ich das Polizeiabsperrband
organisiert habe.«
Auweh, die
Geschichte würde mir in den nächsten Tagen einiges an väterlicher Autorität abnötigen.
Im Moment hatte ich dazu keine Zeit. Ich musste die Welt retten – oder zumindest
eine mittlere Ansammlung an verängstigten Grundschullehrern. Nachdem ich Paul eingeschworen
hatte, den Pseudotatort zu verlassen und sich demnächst bei seiner Mutter einzufinden,
ging ich zur Einsatzkräfteleitung, die sich in der Elisabethenstraße mehr oder weniger
vollständig zusammengerauft hatte. Hinter einem Polizeitransporter hielten schwer
bewaffnete Spezialeinsatzkräfte ihre letzte Besprechung ab.
»Alles unter
Kontrolle«, meldete ich der Gruppe, in der sich die Leiter der Feuerwehr, des SEKs
und weitere wichtige Personen befanden. Einige davon kannte ich.
»Ausgerechnet
der Palzki spuckt mal wieder große Töne«, sprach mich ein mir namentlich unbekannter
Schutzpolizist an. Ich prägte mir sein Aussehen ein, um ihn später mit einer fiesen
Sache bei KPD anzuschwärzen.
»Während
Sie debattieren und herumrätseln, habe ich längst das Geheimnis gelöst: Bei
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