Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
weiß überhaupt nicht, was passiert ist.«
»Ist das
für KPD ein Problem?«, entgegnete Jutta. »Wie oft referiert der über Sachen, von
denen er absolut keine Ahnung hat? Irgendeine hanebüchene Geschichte fällt ihm bestimmt
ein. Wahrscheinlich hat er die Attentäter auf der Herfahrt in flagranti erwischt.«
»Aber da
gab es überhaupt keine Attentäter, Jutta. Das war nur ein Kinderstreich.«
Jutta zuckte
mit den Schultern. »Was später in der Zeitung steht, hat nicht immer etwas mit der
Realität zu tun, Reiner. Du kannst mit Sicherheit davon ausgehen, dass deine Heldentat
mit keiner Silbe erwähnt wird.«
»Ist mir
auch lieber so«, antwortete ich und war trotzdem ein bisschen eingeschnappt.
14
Gefährliche Engelsgasse
Da die Temperaturen zu dieser Jahreszeit
in unseren Breitengraden niemals die 40-Grad-Grenze überschreiten, war es obligatorisch,
dass in Juttas Dienstwagen die Heizung auf höchster Stufe lief. Manchmal fragte
ich mich, ob ihr Wagen als Sonderausstattung über eine zusätzliche Zehn-Kilowatt-Heizung
verfügte. Während ich mich von meiner Kollegin nach Speyer fahren ließ, nutzte ich
das 350-Tage-im-Jahr-Frauen-Frier-Axiom, um meine feuchte Socke zu trocknen. Jutta
sah mich zwar fragend an, beließ es aber dabei. Hitze und Müdigkeit vertrugen sich
im Allgemeinen weniger gut. Ich kämpfte mit dem Wachsein und gewann mit einem hauchdünnen
Vorsprung. Mit meinen mehr oder weniger letzten geistigen Reserven konnte ich, nachdem
wir am Verlag angekommen waren, Jutta überzeugen, zurück zur Dienststelle zu fahren.
Im Nachhinein erwies sich das als richtig, auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch
nicht wissen konnte, wie gefährlich die nächsten Stunden werden würden.
Wohlwollend
nahm ich zur Kenntnis, dass weder jemand auf dem Dach herumkrabbelte, noch sonst
irgendwelche grotesken Aktionen liefen.
Im Verlag
sagte man mir, dass der Geschäftsführer im Kloster sei. Dies verwirrte mich, da
ich mich bereits auf dem Klostergelände befand. Das Verlagsgebäude war bis vor zwei
Jahren der Lehrertrakt einer auf dem Klostergelände befindlichen Grundschule, die
inzwischen unter anderem aus Raumnot einen Neubau an anderer Stelle in Speyer erhalten
hatte. Im Rest des Klostergeländes vermutete ich ausschließlich geistliche Schwestern,
wie ich sie bei meinen bisherigen Besuchen das eine oder andere Mal über den Hof
laufen gesehen hatte.
»Kommt Herr
Fratelli bald wieder zurück?«, fragte ich diplomatisch.
Die Dame
zuckte nur mit den Schultern. »Das weiß man bei ihm nie. Gehen Sie doch zu ihm ins
Kloster.«
»Und wie
finde ich ihn?«
»Sie müssen
rechts an der Klosterkirche vorbei, dann sehen Sie auf der linken Seite den Klosterempfang.«
Ich bedankte
mich und verließ das Verlagsgebäude. Konnte ich wirklich einfach so ins Kloster
laufen? Es gibt doch Schwestern, die ganz für sich alleine leben und keinen Besuch
dulden. War ich überhaupt geziemend gekleidet? Ich schaute an mir herab. Gut, dass
ich keinen Spiegel dabei habe, dachte ich mir. Mein Aussehen dürfte meiner geistigen
Verfassung entsprechen: Katastrophal.
Direkt hinter
der Kirche fand ich an einem dreistöckigen Anbau ein kleines Schild: ›Kloster‹.
Mutig ging
ich hinein und befand mich an einer Pforte, die fast so wie bei uns in der Kriminalinspektion
aussah. Hinter einer Glasscheibe saß eine Schwester und begrüßte mich freundlich.
»Herzlich
willkommen im Kloster der Dominikanerinnen zur Heiligen Maria Magdalena. Womit darf
ich Ihnen helfen?«
Ich nannte
brav meinen Namen und sagte, dass ich Herrn Fratelli, den Geschäftsführer der Peregrinus
GmbH, suche.
»Der ist
vor zehn Minuten mit Schwester Amaranda zur Ausstellung gegangen.«
Ich stutzte.
Warum fiel mir bei dem Wort Ausstellung immer sofort die Gemäldegalerie meines Vorgesetzten
KPD ein?
Die Schwester
lächelte. »Sie sind zum ersten Mal hier?«
»Ja, tut
mir leid.«
»Das braucht
Ihnen nicht leid zu tun. Wenn Sie wieder rausgehen und nach links laufen, kommen
Sie an einen Querbau. Dort finden Sie die Edith-Stein-Dauerausstellung.«
Ich bedankte
mich für die Auskunft und fragte zum Schluss, ob ich mich ganz alleine auf dem Gelände
bewegen dürfe oder vielleicht einen Passierschein benötige.
Dieses Mal
lachte sie sogar. »Nein, wirklich nicht. Jeder ist bei uns herzlich willkommen.
Wir freuen uns über jeden, der die Ausstellung besuchen möchte.«
Ich ging
den beschriebenen Weg und war erstaunt über die vielen mehrstöckigen Gebäude.
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