Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
führen, kann sich Herr Palzki von der modernen Technik
unseres Ordinariats überzeugen. Sonst glaubt er noch, wir würden hier Fähnchen schwenken.«
»Was sollen
wir im Schulungsraum?«, fragte Frau Knebinger.
»Sie haben
ein Tonstudio?«, fragte ich zeitgleich.
»Lassen
Sie sich überraschen, Herr Palzki. Ja, Frau Knebinger, Herr Palzki besteht darauf.«
Die Sache
mit dem Schulungsraum war mir inzwischen nicht mehr wichtig, es war vorhin ja nur
ein nicht fassbarer Geistesblitz, der mich bewog, diesen Raum besichtigen zu wollen.
Wahrscheinlich würde der heutige Rundgang genauso erfolglos verlaufen wie gestern.
Selten hatte ich mich je so getäuscht. Doch zunächst hatte ich noch einen Einfall.
»Kann ich
bei Ihnen mal kurz Herrn Fratelli anrufen? Ich habe vergessen, etwas Wichtiges zu
fragen.«
Wolf verzog
das Gesicht, und sein Grundlächeln verschwand für ein oder zwei Sekunden.
»Bitte schön.«
Er reichte mir seinen Telefonhörer und drückte eine Taste.
Nachdem
sich der Verlagsgeschäftsführer mit einem übellaunigen »Was gibt’s denn, Herr Wolf?
Müssen Sie mich schon wieder belästigen?« gemeldet hatte, klärte ich den Irrtum
auf, bevor Fratelli weitere Nettigkeiten von sich geben konnte. Wolf hatte alles
mitbekommen, da er den Apparat auf Lautsprecher geschaltet hatte.
Die einzige
Frage betraf den Zeitpunkt, an dem er im Dom sein würde. Mein Motiv war, den Sakristeibesuch
mit seinem Termin abzustimmen. Schließlich war ich von Berufs wegen neugierig und
wollte wissen, was er im Dom so trieb. Zum Schluss sagte ich Fratelli, dass die
Uhrzeit hervorragend passen würde, da ich mir vorher noch den Schulungsraum und
das Tonstudio anschauen würde.
»Da haben
wir nicht sehr viel Zeit«, meinte Frau Knebinger, nachdem das Telefonat beendet
war. Sie schaute zu Wolf. »Kommen Sie nach Ihrer Notebookübergabe hoch ins Tonstudio?«
Er nickte
gedankenverloren. »Ja, so machen wir es. Ich möchte schon länger wissen, was Fratelli
im Dom schafft. Das könnte auch für Sie interessant sein, Frau Knebinger.«
»Lassen
Sie mich mit diesem Kerl in Ruhe.« Fast schrie sie. »Der bekommt seine Quittung
noch früh genug.«
Ich ging
mit der Innenrevisorin ins Erdgeschoss und in den Flur, der in den Gebäudeteil,
der in Richtung Dom lag, führte. Schließlich nahmen wir ein anderes Treppenhaus
nach oben.
»Es ist
leider alles etwas verwinkelt bei uns«, entschuldigte sie sich.
»Solange
wir kein Skelett finden.«
Sie schaute
über die Schulter nach mir zurück. »Diesen Witz hat er bisher jedem erzählt.«
Wir kamen
in einem ausgebauten Dachboden mit schrägen Wänden an. Frau Knebinger ging nach
rechts und öffnete eine Tür.
»So, hier
ist unsere ordinariatseigene Sauna.«
Sauna? Ich
war erstaunt und trat ein. Es war ein Schulungsraum mit Tischen, Stühlen und Computern.
Ich konnte nichts, aber auch wirklich nichts Aufregendes entdecken. Und Verdächtiges
schon gar nicht.
»Aha, das
ist also der Schulungsraum«, sagte ich sanftmütig. »Eine Sauna habe ich anders in
Erinnerung.«
Frau Knebinger
lachte. »Eine zweistündige Schulung im Sommer, und Sie wissen, dass dies eine Sauna
ist.« Sie zeigte auf die Dachflächenfenster. »Die Temperaturen im Raum liegen dann
nur geringfügig unter der der Glasschmelze.«
Ich zählte
schnell die Anzahl der Schulungsplätze und merkte mir die Farbe der Tische. Das
tat ich ausschließlich aus dem Grund, damit ich, falls mich später mal jemand über
den Raum fragen sollte, mit meinem sensationellen Erinnerungsvermögen prahlen konnte.
Ein gesundes Halbwissen war besser als gar kein Wissen.
»Jetzt gehen
wir ins Tonstudio, Herr Palzki. Dann werde ich Sie für etwa zehn Minuten alleine
lassen müssen.«
»Kein Problem«,
erwiderte ich. »Ich war in meinem Leben bereits öfter allein.«
Sie lief
zum anderen Ende des Dachbodens und öffnete eine schmale Tür. Der dahinter befindliche
Raum war klein wie eine Kammer. Teile der Wand und der Decke waren mit zapfenförmigem
Schaumstoff verkleidet, und auf der gegenüberliegenden Raumseite befand sich ein
kleines Fenster. Die Hälfte der Kammer nahm ein Mischpult ein, wie ich es von anderen
Tonstudios, die ich während meiner jahrelangen Beamtentätigkeit schon gesehen hatte,
kannte. Hinter dem Mischpult saß eine jüngere Dame mit einem strahlenden Lächeln.
Sie stand auf und stellte sich vor.
»Herr Wolf
hat Sie telefonisch angekündigt, Herr Palzki. Mein Name ist Christiane Moritz.«
Frau Knebinger
verabschiedete
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