Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
ihn süßsauer an. »Ich denke, sie haben das falsch verstanden. Nicht ich
will den Dom verhüllen, sondern der bekannte Künstler Christo. Damit überzeugen
wir sogar die UNESCO.«
»Ja, ja«,
fiel Wolfnauer ein. »Wir dürfen auf keinen Fall den Status als Weltkulturerbe gefährden.
Das wäre fatal.«
So, dieses
Geheimnis wäre auch gelüftet, dachte ich. Ob der Dom verhüllt wird oder nicht, konnte
mir relativ egal sein. Mit unseren Ermittlungen schien es nichts zu tun zu haben.
Doch im gleichen Moment fiel mir eine Ungereimtheit auf.
»Herr Fratelli,
warum lagern Sie im Keller des Hauses in der Engelsgasse kubikmeterweise alte Lkw-Planen?«
Fratelli
schien nicht darüber erstaunt zu sein, dass ich sein Versteck kannte.
»Das Zeug
habe ich für einen Feldtest besorgt. Sie haben selbst unseren erfolglosen Versuch
gesehen, wie wir testweise das Dach unseres Verlages verhüllen wollten. Lkw-Planen
haben sich freilich als viel zu schwer herausgestellt. Ursprünglich wollte ich den
Dom in Eigenregie verhüllen. Aber mir fehlt einfach das Know-how von Christo. Und
zu guter Letzt muss ich jetzt auch noch die alten Planen im Keller entsorgen. Ich
habe sie für einen Klicker und einen Knopf kaufen können, wenn ich sie aber offiziell
entsorgen muss, kostet das ein Vermögen. Es gibt leider keinen vernünftigen Markt
für gebrauchte Lkw-Planen.«
Ich wandte
mich an den stummen Studenten. »Und was ist Ihre Rolle in dem Projekt?«
Becker schaute
leicht beschämt zu Boden. »Ich bin neben meinem Studium Journalist, Herr Palzki.
Vielleicht kann ich der hiesigen Presse Hintergrundinformationen über die Christo-Aktion
verkaufen.«
»Vernachlässigen
Sie dabei nicht Ihren Krimi?«
»Ich überlege,
ob ich die Domverhüllung mit im Krimi aufnehme, das wäre mal was anderes. Vielleicht
gibt’s dabei sogar einen Toten, also im Roman, meine ich.«
Er zog einen
Notizblock hervor. »Der Explosion in Otterberg werde ich auch ein Kapitel im Krimi
widmen. Es wäre verrückt, darauf zu verzichten. Können Sie mir hierzu spontan ein
paar Hintergrundinformationen geben, Herr Palzki?«
»Sagen Sie
mal, für wie naiv halten Sie mich?«
Wolf mischte
sich ein und gab Becker seine Visitenkarte. »Rufen Sie mich mal an, Herr Becker.
Ich kann Ihnen bestimmt weiterhelfen.«
Als er meinen
bösen Blick wahrnahm, ergänzte er sein Angebot in Richtung Becker: »Natürlich nur,
damit das Ordinariat und das Bistum authentisch dargestellt werden. Wir wollen schließlich,
dass die Öffentlichkeit kein falsches Bild von der Kirche erhält.«
Ich hatte
genug von diesem Tag und verabschiedete mich. Mit Wolf und Fratelli vereinbarte
ich, dass wir uns am nächsten Tag gegen Mittag im Verlag treffen würden, und bis
dahin bestimmt Informationen zu den Anschlägen der letzten Stunden vorliegen würden.
Becker bekam
wieder seine typischen afrikanischen Elefantenohren, da er bisher nur von Otterberg
wusste. Er schaute daraufhin listig zu Wolf, der ihm diskret zunickte.
Fratelli
konnte es nicht lassen und musste den Kanzleidirektor noch etwas aufstacheln.
»Wo steht
eigentlich Ihr wertvolles Wägelchen?«
Wolfs Miene
verfinsterte sich für einen Moment.
»Unser Hausmeister
Johannes Kreuz wird mich nachher nach Otterberg fahren.«
Er blickte
zu mir und wurde detaillierter. »Herrn Kreuz haben Sie bisher noch nicht kennengelernt,
Herr Palzki. Niemand kennt sich in den Speyerer Immobilien des Bistums besser aus
als Kreuz. Da er überall gebraucht wird, ist er schwierig zu erreichen.«
Ohne darauf
zu antworten, prägte ich mir den Namen ein. Vielleicht war dies ja der oft erhoffte
Zufallsfund? Jürgen würde das morgen für mich herausfinden.
Ich ließ
die anderen in der Sakristei zurück und schlich mich aus dem Dom. Das Pilgermobil
stand wie festgewachsen neben dem Domnapf, von seinem Besitzer war nichts zu sehen.
Wahrscheinlich führte er in seinem Reisemobil gerade eine seiner kleinen Operationen
durch.
Die Müdigkeit
überkam mich wieder mit voller Wucht. Nur eines war stärker: mein Hunger.
16
Letzte Vorbereitungen
Nach einem mittellangen Zwischenstopp
an einer hinlänglich bekannten Speyerer Imbissbude sowie einem kurzen Telefonat
fuhr ich mit gelockertem Gürtel endgültig heim. Laut meiner Uhr hatte ich zwar noch
keinen Feierabend, eine ernsthafte Einsatzfähigkeit war aber nach den Erlebnissen
der letzten Nacht nicht mehr gegeben.
Es war fatal,
ich lief direkt meiner Nachbarin, Frau Ackermann, über die Füße, die breitbeinig
in
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