Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
ihrem Vorgarten stand und offenbar Blumen zählte. Bei Gelegenheit musste ich
mal darüber nachdenken, ob ein unterirdischer Hauszugang im Rahmen meiner finanziellen
Möglichkeiten lag.
»Ah, hallo,
Herr Palzki«, begrüßte mich der Traum meiner schlaflosen Nächte. »Sie sind heute
aber früh zuhause, haben Sie bereits Feierabend? Ja, ja, wer viel arbeitet, braucht
auch mal eine Pause. Bei meinem Mann stimmt das aber nicht. Der macht nur noch Pause,
seit er Frührentner ist. Um alles muss ich mich alleine kümmern. Der hockt den ganzen
Tag auf der Couch und glotzt Fernsehen. Nur zum Essen steht er manchmal auf und
dann motzt er auch noch, wenn es Rosenkohl gibt. Zum Glück ist jetzt unser Adoptivsohn
wieder daheim, der Gottfried. In den nächsten Tagen laden wir Ihre Frau und Sie
mal zum Kaffee ein. Gottfried ist viel in der Welt herumgekommen und erzählt interessante
Sachen. Ihre Tochter hat übrigens schon mit ihm gesprochen, Herr Palzki. Mein Mann
ist zwar nicht so glücklich darüber, dass unser Adoptivsohn wieder da ist, aber
ich freue mich. Er hat ja auch grüne Hände, daher will er jetzt den Garten umgestalten
und ein paar seltene Hanfgewächse anpflanzen. Er hat mich auch überredet, die Kakteensammlung
im Wohnzimmer aufzugeben, weil das so spießig wäre. Stattdessen will er Pilze züchten.
Gottfried meinte, da gäbe es sehr schöne und lohnende Exemplare. Und dann will er
ja bald auch Kostgeld zahlen, hat er gesagt. In der nächsten Woche will er ein paar
Freunde einladen und eine kleine Begrüßungsparty feiern. Ach, da fällt mir ein,
da muss ich ja noch einkaufen. Glauben Sie, Herr Palzki, dass sich Gottfrieds Freunde
über einen Endiviensalat freuen würden?«
Die Millisekunde
Pause, die ihrer rhetorischen Frage folgte, nutzte ich gnadenlos.
»Das wird
bestimmt der Hammer, Frau Ackermann. Denken Sie auch an die Rahmenangebote. Topfschlagen,
Blinde Kuh und die Reise nach Ganz-weit – äh, Jerusalem sind die Klassiker eines
jeden Belustigungsprogramms. Entschuldigen Sie bitte, ich muss rein, das Essen wird
kalt.«
Tatsächlich
gelang es mir, die Flucht zu ergreifen. Als ich den rettenden Hausflur erreicht
hatte, wollte ich sofort nach meiner Tochter rufen. Ein heftiger Magenschwinger
kam mir zuvor.
Als ich
wieder klar denken konnte, sah ich Paul in Boxhandschuhen vor mir stehen.
»Mein kleiner
Bruder muss gleich am ersten Tag lernen, wie man sich zur Wehr setzt. Sonst ist
er ja so hilflos. Papa, ist die Leber eigentlich links oder rechts?«
Ich nahm
mir vor, meinem Sohn nachher ein paar Fotos von ihm als Baby zu zeigen, damit er
endlich einsah, dass ein Neugeborener nicht die gleichen physikalischen und geistigen
Möglichkeiten wie er hatte. Wahrscheinlich würde er aber auch dies mit seiner kindlichen
Logik ignorieren.
Ich schluckte
die Magensäure runter, schob Paul zur Seite und ging ins Wohnzimmer. Melanie saß
in seltener Eintracht neben ihrer Mutter.
»Hallo,
ihr beiden, macht ihr einen auf Familienidylle?«
Während
Stefanie mich böse anfunkelte, streckte mir meine Tochter die Zunge raus.
»Hallo,
Reiner. Du bist heute aber früh dran. Dann mach ich mich gleich mal ans Essen.«
»Wie geht’s
dir überhaupt?«
Stefanie
streichelte sich über den Bauch, während sie aufstand. »Unser Nachwuchs hat sich
wieder beruhigt. Ich habe bis heute Mittag am Stück durchschlafen können.«
Ich wollte
gerade vor Neid erblassen, als Melanie sich einmischte.
»Was ist
jetzt, Mama? Darf ich?«
»Von mir
aus, um 21:00 Uhr bist du aber wieder daheim.«
Oha, da
war etwas im Busch, was einer väterlichen Klärung bedurfte.
»Wo geht
unsere Tochter bis 21:00 Uhr hin?«
Meine Frau
schmunzelte. »Sei doch nicht immer so streng. Sie will morgen Abend mit ein paar
Freunden Pizza essen gehen. Dafür ist sie doch wirklich alt genug.«
Ich fixierte
Melanie. »Mit welchen Freunden triffst du dich? Hast du deiner Mutter eigentlich
schon erzählt, dass du dich mit Gottfried Ackermann unterhalten hast?«
Wenn Blicke
töten könnten, müssten Gerhard und Jutta den Fall in Speyer ohne mich zu Ende bringen.
Stefanie
blieb abrupt stehen, blickte zu Melanie und hatte für einen kurzen Moment eine Maulsperre,
bevor sie nachfragen konnte. »Was hast du?«
Unsere Tochter
schnappte sich ein unschuldiges Sofakissen und warf es mir an den Kopf.
»Alte Petze«,
schrie sie und verließ den Ort des Dramas.
Die Welt
drehte sich weiter, und ich setzte mich an den Küchentisch und beobachtete meine
Frau, wie sie das
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