Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
ihr
nicht mal ernst bleiben?«, mahnte ich. »Was wäre gewesen, wenn mich auf dem Platz
jemand abgeknallt hätte?«
»Sei mal
nicht gleich beleidigt, Kollege. Als Polizeibeamter hat man von Berufs wegen ein
kleines Restrisiko. Aber du hast recht, wir haben einen Auftrag.«
»Das ist
richtig«, sagte ich und war froh, wieder beim Thema zu sein. »Dummerweise haben
wir keinen Hinweis, wie unser Täter aussehen könnte, und ob er heute überhaupt einen
weiteren Anschlag plant.«
»Hallo,
Herr Palzki!«
Jetzt war
auch Joachim Wolf angekommen.
»Haben Sie
Ihre peinliche Befragung für heute beendet?«
»Das ist
ein dicker Hund, Herr Palzki. Wenn es dumm läuft, kann das sogar Auswirkungen auf
mich und Frau Knebinger haben. So eine Schweinerei hätte uns eigentlich längst auffallen
müssen. Das wird natürlich alles ganz genau untersucht. Bis wir brauchbare Ergebnisse
haben, wird es ein paar Wochen dauern.«
Wolf zögerte,
er hatte noch etwas auf dem Herzen.
»Herr Palzki?«,
fragte er in einer bittstellerisch süßen Stimmlage. »Werden wir auch über die Feiertage
ermitteln müssen? Herr Fratelli hat doch Urlaub, und Herr Nönn wird ebenfalls nicht
im Verlag sein.«
Ich nutzte
die Gelegenheit, dem Hobbydetektiv die Grenzen aufzuzeigen.
»Wir Polizisten
haben einen der schwersten Jobs der Welt. Eine geregelte Arbeitszeit kennen wir
nur vom Hörensagen. Selbstverständlich ermitteln wir nicht nur werktags tagsüber,
sondern auch nachts, am Wochenende und an den Feiertagen. Denken Sie, die vielen
Gauner halten sich an die Arbeitszeitmodelle der Gewerkschaften?«
Wolf war
eingeschüchtert. »Ja, dann soll es wohl so sein. Ich wollte Sie zwar fragen, ob
ich mir über Ostern freinehmen kann, um zu meinen Nichten zu fahren. Wenn Sie aber
darauf bestehen, werde ich Ihnen auch die nächsten vier Tage von morgens bis abends
zur Verfügung stehen.«
So ein Mist.
Ich war gerade dabei, mir selbst ein Ei zu legen. Stefanie würde mich mindestens
umbringen, wenn ich über Ostern komplett unterwegs wäre.
»Ich mache
Ihnen einen Vorschlag, Herr Wolf. Sie fahren ein paar Tage zu Ihren Nichten und
hinterlassen mir Ihre Faxnummer. Sobald sich etwas von Bedeutung ergibt, melde ich
mich bei Ihnen.«
Der Kanzleidirektor
klang erleichtert. »Vielen Dank, Herr Palzki. Ich wusste, dass man mit Ihnen reden
kann.«
Ich zog
mich mit Gerhard und Jutta in eine Ecke zurück und besprach den kommenden Einsatz.
So langsam
füllte sich das Foyer. Bedienungen liefen umher und boten Sekt oder Alkoholfreies
an. Im Hintergrund sang leise ein gregorianischer Chor, wie mir Jutta auf Nachfrage
erklärte. Überrascht nahm ich zur Kenntnis, dass auch einige jüngere Semester zu
den Gästen zählten.
Ein dumpfer
Gongschlag ertönte, und zeitgleich wurde der Spiegelsaal, den man vor einer Weile
verschlossen hatte, wieder geöffnet. Diese Vorgehensweise entsprach zwar nicht der
Regel, damit hatten aber die Zivilbeamten mehr Zeit gehabt, die Gäste im Foyer zu
sichten und nach potenzieller Gefährlichkeit einzuordnen. Wir hatten vereinbart,
uns im Saal zu verteilen und unter die Gäste zu mischen. Nach erstaunlich kurzer
Zeit war der Spiegelsaal zu gut zwei Drittel gefüllt. Ich saß etwa im Mittelfeld
mit gutem Sichtkontakt zu Nönn, der sich wohl aufgrund der zahlreichen Besucher
sehr freute. Becker hatte sich neben Wolf in die zweite Reihe gesetzt. Meine Kollegen
sah ich nicht.
Die Veranstaltung
begann. Marco Fratelli trat vor und begrüßte das Publikum. Auch er schien sich über
den Andrang zu freuen. Er kündigte an, dass der Verlag nach Beendigung der Vortragsreihe
ein Buch über die Domrestaurierungsphase herausgeben würde. Er leitete über zu seinem
Chefredakteur.
Nönn begrüßte
ebenfalls die Zuhörer und lieferte zunächst einen Überblick. Heute würde er über
die durch Bischof Dr. lsidor Markus Emanuel durchgeführte erste Phase der großen
Dom-Restaurierung von 1957 bis zur 900-Jahr-Feier der ersten Domweihe 1961 sprechen.
In diese Zeit fiel unter anderem die Entfernung fast aller Fresken und des Verputzes.
Im Herbst
würde er hier im Congressforum über den zweiten Teil der Restaurierung sprechen.
In dieser Phase wurde die Tieferlegung des Fußbodens im Langhaus veranlasst, sowie
die Neugestaltung und Neueindeckung der Dächer des Langhauses, des Querhauses und
des Ostchores durchgeführt.
Heute Abend
gab es zwar keine szenische Lesung in Kombination mit Fratelli wie in Otterberg,
dennoch war der Vortrag hochinteressant
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