Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
Alt. »Ihr Bistumsangestellter Adamzinski ist vor über zwei Jahren gestorben.
Seitdem kassiert seine Witwe das Gehalt und leitet vermutlich einen Teil an seine
ehemaligen Kollegen als Schweigegeld weiter.«
Um die Sache
nicht ausufern zu lassen, zog ich den Bericht von Jürgen aus der Tasche. »Die Vernehmung
von Frau Schmitz hat ergeben, dass immer nur einer von drei, eigentlich vier, Mitarbeitern
anwesend ist. So kam jeder auf etwa acht Monate Freizeit im Jahr. Vor Adamzinskis
Tod waren es sogar neun Monate.«
Nachdenklich
standen wir vor Browinkel. Schließlich fragte mich Wolf: »Wer könnte in den letzten
Jahren die Arbeit dieser Abteilung gemacht haben?«
»Gute Frage«,
antwortete ich. »Unter Umständen kann das Frau Knebinger herausfinden. Vielleicht
gibt es im Planarchiv seit Jahrzehnten nichts zu tun. Oder es wurden externe Firmen
beauftragt und die Kosten verschleiert.«
18
Im Frankenthaler Congressforum
Ich hatte alle Joker gezogen. Mehr
Informationen hatte Jürgen in der Kürze der Zeit nicht herausgefunden. Wie das Bischöfliche
Ordinariat darauf reagierte, konnte mir egal sein. Die Sache war in den Grundzügen
aufgeklärt, mehr hatte ich hier nicht zu tun. Allerdings gab es da einen blöden
Gedanken, der mir seit einer halben Stunde durch den Kopf ging. Dieser Gedanke betraf
das auf mich verübte Attentat. Was wäre, wenn der Schuss nichts mit der Ermittlungssache
Fratelli Schrägstrich Nönn zu tun hatte, sondern von den Mitarbeitern des Planarchivs
ausgeführt oder zumindest beauftragt wurde? Räumlich gesehen, befanden sich Ordinariat,
Planarchiv und Bauamt in unmittelbarer Nachbarschaft. Befürchteten die Mitarbeiter
zu recht, wie sich herausgestellt hatte, dass ihre Betrügereien auffallen könnten?
Wenn dem so wäre, müsste ich die Lage neu bewerten. Trotz allem hatte ich ein weiteres
unbestimmtes Gefühl: Heute Abend würde etwas passieren, und ich nahm mir vor, gut
auf die beiden potenziell Gefährdeten und auch auf mich aufzupassen.
Dr. Alt
bat, beziehungsweise befahl, Herrn Browinkel ins Ordinariat, um ein ordentliches
Protokoll nach strengstem Kirchenrecht anzufertigen und weitere Schritte zu diskutieren.
Ich nutzte die Gelegenheit, um mich auszuklinken. Herr Wolf hatte kein Glück. Seine
Anwesenheit bei der kircheninternen Vernehmung wurde erwartet. Ich vereinbarte mit
ihm, dass wir uns gegen 19.00 Uhr direkt im Congressforum treffen würden. Auf seine
Frage, was ich in der Zwischenzeit mache, antwortete ich lapidar, dass noch ein
paar Vermutungen zu verifizieren wären. Das entsprach zwar nicht der Wahrheit, machte
aber neugierig.
Ich überlegte,
was ich mit der unerwarteten Freizeit anfangen könnte. In den Verlag wollte ich
nicht, da mich das dortige kulinarische Angebot nicht überzeugte. Heimfahren? Nein,
da lief ich bestimmt Gottfried oder seiner schwatzhaften Mutter über den Weg. Und
solange Stefanie sich nicht meldete, war auch bei ihr alles im grünen Bereich. Ich
entschied mich für einen Bummel durch die Speyerer Maximilianstraße, wie die Hauptstraße
offiziell heißt. An der Pilgerfigur blieb ich stehen. Sie hatte etwas Symbolhaftes
an sich, das war klar, sonst würde sie hier nicht stehen. Der Pilger drehte dem
Dom im Hintergrund den Rücken zu. Begann er gerade seine Reise? Ich schaute auf
den Boden und suchte die fiktiven Fußspuren des Pilgers, so als sei er lebendig
und gerade erst vom Dom aus gestartet. Über die gedachte Spur blickte ich zum Dom,
der sich majestätisch zwischen der Speyerer Altstadt und dem Rhein erhebt, so als
wolle er sagen: An mir kommt niemand vorbei. Hier begann am vergangenen Sonntag
die Geschichte. Wo würde sie enden? Heute Abend in Frankenthal, oder befand sich
die Lösung des Rätsels im Dom? Ich wurde das dumme Gefühl nicht los, als hätte ich
etwas Wichtiges längst erkennen können. Welches Detail hatte ich übersehen?
So sehr
ich auch grübelte, ich kam zu keinem Resultat. Ich stillte in einer Pizzeria meinen
Hunger und ging zurück zum Peregrinus Verlag. Ganz in Gedanken versunken vergaß
ich die Gefahr vor dem Dom. Dr. Metzger verabschiedete gerade einen Kunden.
»Da sind
Sie ja schon wieder, Herr Palzki. Sind Sie nach Speyer ausgewandert? Oder wollen
Sie mir Konkurrenz machen und ein Begleitschutzunternehmen für Pilger gründen?«
Sein höllisches Lachen dröhnte über den gesamten Domplatz.
»Hat man
Sie immer noch nicht vertreiben können?«
Metzger
vollführte eine seiner grobmotorischen Handbewegungen.
»In
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