Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
angehen.«
Wolf wollte
darauf etwas antworten, ließ es dann aber bleiben. Er verabschiedete sich kurz von
Fratelli und Nönn und verließ anschließend das Culinarium.
Trotz aller
Widrigkeiten war es schön, mit den Kollegen Gerhard und Jutta in Ruhe zusammensitzen
und plaudern zu können. Die Zeit verging in Windeseile, und mein Bauchgrimmen verstärkte
sich mit jedem Eisbecher analog zu meinem Blasendruck. Die Kombination mit Bier
war vielleicht doch nicht so ausgewogen. Ich schaute auf die Uhr: Es war bereits
eine halbe Stunde nach Mitternacht. Noch immer waren bestimmt 40 Personen im Restaurant
anwesend. Wegen der in Kürze zu erwartenden Unpässlichkeit entschuldigte ich mich
bei meinen Kollegen. Während ich die Toilette suchte, sah ich, dass Nönn nicht an
seinem Platz war. Erschrocken fragte ich Fratelli, doch der winkte nur lässig ab.
»Der ist
mal für kleine Italiener.«
Da ich mit
gleichem Ziel unterwegs war und inzwischen auch das Schild gefunden hatte, das in
den Keller verwies, war ich schnell wieder beruhigt.
Ich nahm
die Treppe nach unten und las verblüfft den Hinweis, dass es hier nicht nur zu den
Toiletten, sondern auch zum Entensaal ging. Am Treppenende zeigte die Beschilderung
nach links und gleich danach wieder rechts. Hier befand sich vor den Toiletten ein
geräumiger Vorraum, der mit Bühnendekoration geradezu vollgestopft war. Insbesondere
eine sperrige Weltkugel, die in zwei Hälften getrennt auf dem Boden lag und mit
Styroporwolken gefüllt war, fiel mir auf. Ich war bereits im Begriff, die Tür zur
Männertoilette zu öffnen, als ich ihn sah.
Robert Nönn
lag inmitten der südlichen Erdhälfte, gut versteckt zwischen den Wolken. Während
mir das Adrenalin einschoss, warf ich die Styroporwolken aus der Halbkugel. Doch
zu diesem Zeitpunkt wusste ich bereits, dass alle Hilfe zu spät kam. Robert Nönn
lag rücklings verkrümmt und offensichtlich ermordet vor mir. Auf seinem Kopf lag
ein blutverkrusteter Metallpfosten, an dem ein Schild befestigt war. Ich las die
Aufschrift: ›Kultursommer Rheinland-Pfalz 2012‹.
Eine mir
unbekannte Frau kam aus der Damentoilette. Starr vor Schreck blickte sie auf den
toten Nönn und dann zu mir. Es war mir klar, dass die Situation für sie eindeutig
war.
»Schnell,
rennen Sie hoch und alarmieren Sie den Notarzt und die Polizei.«
Sie tat,
was ich sagte. Vermutlich war sie froh, mir, dem vermeintlichen Mörder, entkommen
zu können.
Den Versuch,
den Chefredakteur aus der Kugelhälfte herauszuziehen, musste ich abbrechen. Mir
blieben nur noch wenige Sekunden bis zur innerlichen Explosion. Ich rannte so schnell
ich konnte zur Toilette. Die Zeit war äußerst knapp bemessen, aber gerade noch ausreichend.
Draußen hörte ich Stimmen, die schnell anschwollen. Kurze Zeit später kam jemand
in den Toilettenvorraum.
»Da vorne
ist verschlossen«, hörte ich jemand sagen. »Da könnte der Kerl stecken.«
Es klopfte.
Ich war versucht, ›Herein‹ zu sagen, doch wegen der ernsten Lage unterließ ich dies.
»Ja, bitte?«,
fragte ich stattdessen.
»Machen
Sie auf!«
Über die
mangelnde Höflichkeit ärgerte ich mich. »Nehmen Sie die Toilette nebenan, bei mir
dauert es noch ein Weilchen.«
»Wer sind
Sie? Machen Sie endlich auf!«
»Wer sind
Sie überhaupt?«, fragte ich zurück. »Darf man nicht einmal in Ruhe auf die Toilette?«
Ich drückte
die Spülung.
»Vor dem
Klo ist was passiert, und wir müssen wissen, wer Sie sind.«
Ich vermutete,
dass meine unsichtbaren Gesprächspartner Zivilbeamte waren. Trotzdem, ihre Vorgehensweise
war nicht okay. Um die Sache nicht weiter eskalieren zu lassen, zog ich meinen Dienstausweis
aus der Hosentasche und reichte ihn unter der Tür hindurch.
Ich hatte
für wenige Sekunden Ruhe, während vor der Tür getuschelt wurde.
»Dann kommen
Sie endlich raus, wenn Sie Polizeibeamter sind.« Die Stimme war energischer geworden.
»Sie müssen
sich noch ein wenig gedulden. Auch Polizisten müssen mal aufs Klo. Vor allem, wenn
sie Eis gegessen und Bier getrunken haben.«
Als Nachweis
drückte ich ein weiteres Mal auf die Spülung.
Weitere
Personen kamen in den Toilettenvorraum.
»Der da
drinnen behauptet, ein Polizeibeamter zu sein und Reiner Palzki zu heißen.«
Es klopfte
erneut an meiner Tür.
»Bist du
es, Reiner?«
Na, endlich,
das war Juttas Stimme.
»Wer denn
sonst, Jutta. Schick bitte die beiden mit dem nächsten Zug nach Sibirien. Ich habe
Durchfall.«
»Warst du
das, der Nönn entdeckt hat? Der
Weitere Kostenlose Bücher