Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
feststellte. Ich zog den kleinen Schraubendreher, den ich mir
in weiser Voraussicht von Zuhause mitgebracht hatte, aus meiner Hosentasche und
öffnete den Deckel. Die Angelegenheit war etwas wacklig, weil ich dazu auf den Drehbürostuhl
steigen musste. Ein weiterer Griff, dieses Mal in meine Jackentasche, und ich hatte
einen in Papier eingeschlagenen Gegenstand in der Hand. Ich packte ihn aus und legte
den Limburger Käse, den ich am Frühstückstisch hatte mitgehen lassen, in das Lüftungsrohr
und zerrieb ihn leicht zwischen den Fingern. Gehässig grinsend schraubte ich den
Deckel wieder auf. Heute hatte ich mich nicht nur vor dem Fisch gedrückt, sondern
auch vor dem Verzehr des Weichkäses, den ich ebenfalls nicht besonders mochte.
Ich fuhr
heim. Ohne einem Mitglied der Ackermann-Sippe über den Weg zu laufen, konnte ich
mein Haus betreten.
»Du bist
ja schon wieder da!«, freute sich meine Frau. »Das ist neuer Rekord. Ich mach dir
gleich den Fisch fertig, Reiner.«
»Wieso Fisch?«,
fragte ich verängstigt. »Ihr habt doch bereits gegessen, und Fisch darf man nicht
aufwärmen.«
»Eben drum,
mein lieber Mann. Ich habe deinen Anteil einfach noch nicht zubereitet. Den mache
ich dir jetzt ganz frisch und nur für dich.«
Es kam noch
schlimmer.
»Ich habe
gesehen, dass du den Limburger gegessen hast. Ich wusste gar nicht, dass du Weichkäse
magst. Ich habe noch zwei Stück im Kühlschrank, den gibt’s dann zum Abendessen.«
Ich ergab
mich meinem Schicksal und wankte auf die Couch.
»Übrigens«,
erzählte Stefanie weiter. »Frau Ackermann hat uns für Ostermontag zum Kaffee eingeladen.
Kannst du sie vorher erschießen?«
Fassungslos
blickte ich sie an. Das meinte sie nicht im Ernst, oder? Sie bemerkte meinen Blick.
»Unsere
Nachbarin hätte man im Mittelalter als Folterinstrument verwenden können. Eine Stunde
mit der zusammen in einem Zimmer ohne Fluchtmöglichkeit, und man gesteht alles.«
Melanie
hatte die letzten Sätze mitgehört.
»Au fein,
das wird bestimmt ein schöner Nachmittag bei den drei Ackermanns.«
Stefanie
reagierte sofort. »Du bleibst zuhause und lernst für die Schule. Gleich nach Ostern
schreibt ihr Religion.«
Melanie
war sauer. »Papa sagt aber immer, dass Religion und Sport nicht so wichtig sind.«
O weh, jetzt
musste ich mehr als die Welt retten. Eine Idee hatte ich bereits. Statt Verteidigung
half manchmal nur eine Flucht nach vorne.
»Melanie,
du musst mich vollständig zitieren. Ich habe auch gesagt, dass für Mädchen vier
Schuljahre absolut ausreichen, da sie später sowieso heiraten.«
Bevor mich
die beiden weiblichen Wesen steinigten, grinste ich und sprach weiter. »Selbstverständlich
war das alles nur ein dummer Witz, Melanie. Eigentlich solltest du wissen, dass
ich Schule für sehr wichtig erachte, und man niemals zu viel lernen kann. Das gilt
auch für Mädchen beziehungsweise frühreife Gören.«
Mein privates
Mittag- und auch das Abendessen sind keiner Berichterstattung würdig, es gab mittags
Fisch und abends Weichkäse. Das Leben war nicht immer ein Paradies.
Ansonsten
verlief der Rest des Tages ereignislos, und meine Frau freute sich über eine ausdauernde
Massage. Unser ungeborener Nachwuchs verhielt sich ruhig und schien das Massieren
gleichfalls zu genießen.
*
Zur Sicherheit hatte ich mir den
Wecker gestellt. Im Regelfall war Paul aber schneller. So wie heute. Der Sprung
auf die volle Blase war mittlerweile ebenso obligatorisch wie sein Ideenreichtum.
»Papa heute
Mittag gehe ich zu meinem Freund, der hat sturmfreie Bude. Dann können wir wieder
heimlich einen James-Bond Film auf DVD anschauen.«
Wie alt
war mein Sohn? Ich war immerhin zwölf, als ich samstagmittags zu meinem Freund ging
und er bei sich zuhause das Gleiche sagte. Gemeinsam gingen wir dann heimlich ins
Kino. ›Godzilla‹ war damals angesagt oder James-Bonds ›Moonraker‹. In Pauls Alter
schaute ich noch ›Urmel aus dem Eis‹. So schnell ändert sich die Welt.
Stefanie,
die durch Pauls erwarteten Angriff ebenso wach geworden war, machte ein gesundes
Frühstück. Wenig später fuhr ich hungrig zur Dienststelle. Wie üblich, waren alle
anderen bereits da.
Jutta und
Gerhard sah ich an ihren zufriedenen Gesichtern sofort an, dass ihre Aktion Erfolg
gehabt hatte.
»Rate mal,
wer unser Täter ist«, fragte Jutta. »Da kommst du im Leben nicht drauf. Der Beweis
ist absolut eindeutig.«
Gespielt
gelangweilt nannte ich ihr einen Namen.
Gerhard
glotzte mich an und Jutta
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