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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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haben, zumindest auf dem vorderen Schirm.
    Sonderbar, das Summen war verstummt. Pirx sah zur Seite – und erstarrte.
    Auf der erhabenen Fläche der Sicherung saß eine der beiden Fliegen und putzte sich die Flügel, die andere machte ihr währenddessen den Hof. Ein paar Millimeter weiter glänzte das nächste Kabel. Die Isolierung endete ein wenig höher – alle vier Kabel lagen frei. Jedes von ihnen war beinahe so stark wie ein Bleistift. Da die Spannung nicht allzu hoch war – tausend Volt –, gab es zwischen den Kabeln nur geringe Abstände – jeweils nur sieben Millimeter. Pirx wußte zufällig, daß es genau sieben Millimeter waren. Sie hatten einmal die gesamte elektrische Installation auseinandergenommen, und er hatte sich vom Assistenten Unverschämtheiten anhören müssen, weil er die Abstände zwischen den Leitungen nicht kannte.
    Die eine Fliege hatte inzwischen vom Liebesspiel abgelassen und kroch jetzt auf der bloßen Leitung entlang. Das schadete ihr nicht, aber wenn es sie gelüstete, auf die zweite zu kriechen ... Offenbar verspürte sie gerade diese Lust, denn nun brummte sie und setzte sich ganz außen auf die Kupferader – so, als ob es in dem ganzen Steuerraum keinen anderen Platz gegeben hätte. Pirx überlegte fieberhaft. Wenn sie nun die Vorderbeine auf die erste und die Hinterbeine auf die zweite Leitung stellt, dann ... Ja, was eigentlich? Im schlimmsten Fall würde es einen Kurzschluß geben, aber die Fliege war wohl doch nicht groß genug, um einen Kurzschluß zu verursachen. Und wenn, dann wäre es auch nicht so gefährlich. Die automatische Sicherung würde den Strom abschalten, die Fliege würde verbrennen, der Automat würde den Strom erneut einschalten, und alles wäre wieder in Ordnung. Und was die Fliege betraf, so hätte er endlich Ruhe.
    Wie hypnotisiert starrte er auf das Hochspannungsschränkchen. Er wünschte sich nicht, daß das Vieh es versuchte. Ein Kurzschluß war zwar eine Lappalie, aber daraus konnte wer weiß was entstehen. Wozu das Risiko ...
    Ein Blick auf die Uhr: Es standen nur noch acht Minuten mit allmählich schwächer werdendem Schub bevor. Gleich würde damit Schluß sein. Pirx starrte auf das Zifferblatt – da blitzte es auf, und die Lichter verloschen. Das Ganze dauerte kaum eine Drittelsekunde. Die Fliege! sagte er sich und hielt den Atem an. Wird der Automat den Strom einsch ... Er tat es.
    Die Lichter flammten wieder auf, aber sie brannten seltsam schwach und orangenrot, und gleich darauf sprang die Sicherung ein zweites Mal heraus. Dunkelheit. Der Automat schaltete ein – das Licht verlöschte. Ein – aus, ein – aus – so ging es in einem fort. Was war los? Im regelmäßig aufblitzenden Lampenschein erkannte Pirx nur mit Mühe die Ursache: Von der Fliege – das Biest hatte sich zwischen zwei Leitungen gezwängt – war ein kleiner Rest übriggeblieben, ein verkohlter Stumpf, der die beiden Kabel weiter miteinander verband.
    Man kann nicht behaupten, daß Pirx sehr erschrocken war. Zugegeben, er war erregt, aber hatte er sich denn seit dem Start überhaupt schon beruhigt? Die Uhr war kaum zu sehen. Die Zifferblätter hatten ihre eigene Beleuchtung – auch das Radargerät. Der Strom war noch so stark, daß sich die Lichter und die Reserveleitungen noch nicht einschalteten, aber er war wiederum nicht so stark, daß es hell wurde. Noch vier Minuten – dann würden sich die Triebwerke ausschalten.
    Darum brauchte er sich nicht zu kümmern – der Automat des Reduktors würde das von selbst besorgen. Aber wie – Pirx lief es kalt über den Rücken –, wie konnte er bei Kurzschluß funktionieren?
    War das überhaupt dieselbe Leitung? Er war sich nicht sicher, bis ihm einfiel, daß es die Hauptsicherungen für die ganze Rakete und für sämtliche Leitungen waren. Die Atomsäule jedoch mußte ein eigenes Netz haben ...
    Die Säule schon, aber nicht der Apparat. Er hatte ihn ja vorhin selbst eingestellt. Man müßte ihn also abschalten ... Oder nicht? Vielleicht würde es dennoch gehen ...
    Die Konstrukteure hatten mit allem gerechnet, nur nicht damit, daß eine Fliege in den Steuerraum gelangen, daß der Deckel herunterfallen und ein Kurzschluß entstehen könnte.
    Die Lichter flackerten ununterbrochen. Ich muß irgend etwas tun! sagte sich Pirx. Aber was? Ganz einfach – man brauchte nur den Hauptschalter umzuwerfen, der hinter dem Sitz unter dem Fußboden angebracht war. Der würde die Hauptleitungen ausschalten und die Notleitungen betätigen.

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