Pilot Pirx
völlig vergessen.
Er schnallte den Gurt fest, legte die Hände auf die Hebel – die Rakete mußte auf die richtige Umlaufbahn gebracht werden. Von den beiden JO-Schiffen würde er keine Spur mehr finden, das war ihm klar, aber er mußte ans Ziel gelangen und sich bei Navigationsluna melden. Oder etwa bei Luna Hauptstation, weil er eine Havarie hatte? Weiß der Teufel! Also wieder still sitzen? Ausgeschlossen! Sie werden das Blut bemerken, wenn ich wieder unten bin ... Sogar an der Decke sind rote Spritzer ... Übrigens, der Registrator hat sicherlich alles, was geschehen ist, auf Band festgehalten – alles, die Tücken der Sicherung und den Kampf mit dem Notgriff. Nicht übel, diese AMUs, das muß man schon sagen ... Aber man muß Humor haben, wenn man jemandem solch einen Sarg zumutet ...
Melden, melden – aber bei wem? Er beugte sich vor, lockerte dabei den Schultergurt und griff nach der Spicke, die unter dem Sitz lag. Warum soll ich eigentlich nicht einen Blick hineinwerfen? Vielleicht nützt sie mir wenigstens jetzt irgendwie ...
Da hörte er etwas knacken – ganz so, als ginge eine Tür auf. Hinter ihm gab es keine Tür, das wußte er genau, übrigens konnte er sich nicht umdrehen, denn die Gurte hielten ihn an den Sessel gefesselt. Ein Lichtstreifen fiel auf die Schirme, die Sterne darauf verblaßten, und Pirx vernahm die gedämpfte Stimme des Chefs.
»Pilot Pirx!«
Er wollte aufspringen, aber die Gurte hielten ihn fest. Er fiel zurück, glaubte wahnsinnig zu sein. Im Gang zwischen der Wand des Steuerraums und der gläsernen Hülle erschien der Chef. Er stand vor ihm in seiner ganzen Uniform, sah ihn mit grauen Augen an – und lächelte. Pirx wußte nicht, wie ihm geschah.
Die gläserne Kapsel hob sich. Pirx begann instinktiv die Gurte zu lösen und stand auf. Die Schirme hinter dem Rücken des Chefs waren plötzlich wie weggeblasen.
»Recht so, Pilot Pirx«, sagte der Chef. »Bemerkenswert.«
Pirx wußte immer noch nicht, wie ihm geschah. Er stand stumm vor seinem Chef und machte etwas schrecklich Unvorschriftsmäßiges – er streckte den Kopf zur Seite, soweit der halb aufgeblasene Kragen das zuließ.
Der ganze Gang mit der Klappe war beiseite geschoben – als sei die Rakete an dieser Stelle auseinandergebrochen. Pirx erkannte im Abendlicht die Gangway der Halle, die Menschen, die darauf standen, die Seile, die Gitter ... Er starrte den Chef mit halboffenem Mund an.
»Komm, Junge«, sagte der. Langsam streckte er ihm die Hand entgegen. Pirx ergriff sie und fühlte, daß der Händedruck sich verstärkte. »Ich drücke dir im Namen aller meine Anerkennung aus, und in meinem eigenen Namen bitte ich dich um Verzeihung. Das ... muß so sein. Jetzt komm mit. Kannst dich bei mir waschen.«
Er ging auf den Ausgang zu. Pirx folgte ihm, stakste schwer und unbeholfen. Draußen war es kühl, ein schwacher Wind wehte, er fiel in die Halle durch den Teil der Decke, der weggeschoben war. Beide Projektile standen an der gleichen Stelle wie zuvor – nur ein paar dicke Kabel, die in einem Bogen über dem freien Raum hingen, führten zu ihren Spitzen. Vorher waren diese Kabel nicht dagewesen.
Der Instrukteur, der auf der Gangway stand, sagte irgend etwas zu ihm. Er verstand es nicht, durch die Haube könnte er schlecht hören.
»Wie?« fragte er mechanisch.
»Die Luft! Laß die Luft aus der Kombination!«
»Ach so, die Luft ...«
Er drückte auf das Ventil – es zischte. Er stand auf der Plattform. An den Seilen der Barriere warteten zwei Leute in weißen Kitteln. Seine Rakete sah aus, als habe sie einen gespaltenen Schnabel. Eine merkwürdige Schwäche überkam ihn – Verwunderung, Enttäuschung, die sich immer deutlicher in Ärger verwandelten.
Sie öffneten die Klappe des zweiten Projektils. Der Chef stand auf der Gangway, weißbekittelte Menschen unterhielten sich mit ihm. Aus dem Innern der Rakete drang ein schwaches Knacken.
Ein braunes, taumelndes Bündel Mensch stürzte heraus, der Kopf ohne Helm pendelte wie ein verschwimmender Fleck hin und her.
Die Beine unter ihm knickten ein.
Dieser Mensch dort, Boerst, war mit dem Mond zusammengestoßen.
Der bedingte Reflex
Es geschah im vierten Jahr, kurz vor den Ferien. Pirx, der alle praktischen Übungen hinter sich hatte, stand nun vor weiteren Bewährungsproben: Es galt, mehrere Flüge auf Simulatoren zu bestehen, danach zwei echte Raumstarts und schließlich einen sogenannten »Kreis selbständig« – einen Mondflug mit Landung und
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