Pilot Pirx
in der Druckkammer bei offener Außenklappe Vakuum herrschte. Das Lämpchen brannte nicht. Als er die kleine Tür öffnete, flammten automatisch zwei andere Lampen auf. Er erblickte einen engen Raum mit kahlen Metallwänden. In der Mitte stand eine kleine Leiter, sie führte zur Klappe in der Decke. Unter der letzten Sprosse war noch eine mit Kreide umrissene Kontur zu erkennen, sie war schon halb verwischt: An dieser Stelle hatte man Savage gefunden – zusammengekrümmt und auf der Seite liegend. Man konnte ihn nicht hochheben, denn er war mit seinem eigenen Blut, das ihm aus Mund und Nase gedrungen war, an der rauhen Klappe festgefroren. Pirx betrachtete diese Kreidemarkierung, die kaum noch an die Silhouette eines Menschen erinnerte. Dann wich er zurück, verschloß die hermetische Tür und hob den Kopf: Er hörte Schritte. Langner war die Leiter hinaufgestiegen, die an der entgegengesetzten Seite des Flurs stand, und machte sich im Observatorium zu schaffen. Pirx steckte den Kopf durch die runde Öffnung in der Decke und erblickte ein verhülltes Teleskop, das einem kleinen Geschütz ähnelte, sowie Kameras der Astrographen und zwei größere Apparate – eine Wilsonkammer und eine Ölkammer mit Vorrichtungen zum Fotografieren von Spuren.
Die Station diente der Erforschung kosmischer Strahlen, und die Klischees, die dazu benutzt wurden, lagen überall herum: Ihre orangefarbenen Päckchen befanden sich zwischen Büchern, unter den Regalen, in den Schubladen, neben den Betten, sogar in der Küche. Und das war alles? Eigentlich ja – es sei denn, man zählte die großen Wasser- und Sauerstoffbehälter hinzu, die, fest in das Mondgestein eingelassen, unter dem Fußboden ruhten.
Über der Tür eines jeden Raumes befand sich ein rundes Kontrollgerät, das die Kohlendioxydmenge anzeigte. Darüber hing das perforierte Sieb der Klimaanlage, die lautlos arbeitete. Sie saugte Luft ein, reinigte sie vom Kohlendioxyd, gab die nötige Menge Sauerstoff hinzu, regulierte die Feuchtigkeit und preßte die Luft in die Kabinen zurück. Pirx freute sich über jeden Laut, der ihn aus dem Observatorium erreichte. Wenn die Geräusche verstummten, wuchs die Stille ins Unermeßliche, so daß er das Rauschen seines eigenen Blutes hörte – wie damals im »Irrsinnigen Bad«. Das »Bad« konnte man allerdings jederzeit verlassen ...
Langner stieg herunter und bereitete das Essen. Er tat dies so leise und so geschickt, daß alles fertig war, als Pirx in die Küche kam. Sie sprachen kaum ein Wort. »Bitte das Salz!« – »Ist Brot in den Dosen?« – »Morgen müssen wir eine frische aufmachen.« – »Tee oder Kaffee?«
Das war alles. Pirx paßte nun diese Einsilbigkeit. Was aßen sie eigentlich? War es das dritte Mittagessen, das vierte – oder etwa schon das Frühstück des nächsten Tages? Langner sagte, er müsse die belichteten Klischees entwickeln. Er ging nach oben. Pirx hatte nichts zu tun, und er wußte, weshalb. Sie hatten ihn nur mitgeschickt, damit Langner nicht allein war. Von Astrophysik, von kosmischen Strahlen hatte er keine Ahnung, und Langner war viel zu beschäftigt, um ihn in der Bedienung des Astrographen zu unterweisen. Es hatte beim »Bad« den ersten Platz errungen, und die Psychologen behaupteten, er könne nicht wahnsinnig werden. Sie verbürgten sich für ihn. Er war also gezwungen, zwei Wochen Nacht, zwei Wochen Tag auszuhalten. Gott weiß, worauf er warten und worauf er achten sollte.
Diese »Aufgabe«, diese »Mission«, die ihm noch zwölf Stunden zuvor wie ein unwahrscheinliches Glück erschienen war, zeigte ihm nun ihr wahres Gesicht – das Gesicht einer gestaltlosen Leere. Wovor sollte er Langner und sich selbst schützen? Was für Spuren sollte er suchen? Und wo? Glaubten sie im Ernst, er könne etwas entdecken, was die glänzendsten Spezialisten übersehen hatten – Menschen, die den Mond seit Jahren kannten? Er war doch ein Idiot im Vergleich zu ihnen!
Pirx saß am Tisch. Er wußte, daß das Geschirr abgewaschen werden mußte, aber er rührte sich nicht. Er wußte auch, daß es darauf ankam, rasch wieder den Hahn zuzudrehen, denn Wasser war kostbar. Es wurde in Form von gefrorenen Blöcken hergebracht und in einer Zweieinhalb-Kilometer-Parabel-Bahn in den Kessel zu Füßen der Station geschossen. Das kostbare Naß durfte nicht vertropfen.
Aber Pirx rührte sich nicht. Seine Hand lag schlaff auf der Tischplatte. Er hob sie nicht. Sein Kopf war heiß und leer. Finsternis und Schweigen umgaben
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