Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
 Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
eine Expertenkommission zusammengerufen, die die Ursachen der Katastrophe untersuchen sollte. Noch waren Arbeitsgruppen dabei, mit Baggern und Kränen die Teile des riesigen Rumpfs wegzuschleppen, noch war man nicht zu der tief in den Boden festgekeilten Steuerkabine vorgedrungen, in der sich die Kontrollautomaten befanden, als bereits eine Gruppe Spezialisten von der Großen Syrte angeflogen kam, mit einem der eigenartigen kleinen Hubschrauber, die mit riesigen Propellern ausgestattet waren und nur zum Verkehr in der dünnen Marsatmosphäre taugten. Pirx ging allen aus dem Weg und stellte keine Fragen, denn ihm war nur zu klar, daß die Sache außerordentlich mysteriös war. Während des normalen Landevorgangs, der in erprobte Etappen eingeteilt und programmiert war wie ein tadellos funktionierender Eisenbahnfahrplan, hatte der Hauptcomputer des »Ariel« ohne ersichtlichen Grund den Boranschub gedrosselt, Signale gegeben, die in Relikten an Meteoritenalarm erinnerten, und auf Startantrieb mit vollem Schub umgeschaltet; die Stabilität, die er während dieses halsbrecherischen Manövers verloren hatte, konnte er nicht mehr zurückgewinnen. So etwas war in der Geschichte der Astronautik noch nicht vorgekommen, und naheliegende Vermutungen – daß der Computer versagt hatte, daß ein Kreis kurzgeschlossen oder durchgebrannt war – entbehrten jeder Wahrscheinlichkeit, denn es handelte sich um eines von zwei Programmen – Start und Landung –, die so gründlich gegen Havarien abgesichert waren, daß man schon eher auf Sabotage schließen konnte. In dem Kämmerchen, das ihm Seyn in der Nacht zuvor überlassen hatte, zerbrach er sich den Kopf über diese Frage und steckte absichtlich nicht die Nase aus der Tür, um nicht gesehen zu werden, zumal er ja in zehn bis zwanzig Stunden starten sollte, und er sah keinerlei Veranlassung, sich in die Kommission einzudrängen. Es zeigte sich jedoch, daß man ihn nicht vergessen hatte; kurz vor eins schaute Seyn bei ihm vorbei, begleitet von Romani, der auf dem Korridor wartete. Als Pirx herauskam, erkannte er ihn nicht gleich: der Chef des Agathodaemons sah auf den ersten Blick aus wie ein Mechaniker. Er trug einen schmutzigen, mit nassen Flecken bedeckten Arbeitsanzug, sein Gesicht schien vor Erschöpfung abgezehrt, der linke Mundwinkel zuckte, nur die Stimme war dieselbe geblieben. Er bat Pirx im Namen der Kommission, der er angehörte, den Start seines »Cuivier« zu verschieben.
    »Natürlich ..., wenn ich gebraucht werde.« Pirx war überrascht; er versuchte sich zu sammeln. »Ich muß nur die Genehmigung der Basis einholen.«
    »Das erledigen wir, wenn Sie einverstanden sind.« Keiner verlor mehr ein Wort darüber, und sie gingen zu dritt zum Haupt»ballon«, wo in dem langgestreckten, niedrigen Domizil der Leitung gut zwanzig Experten saßen – einige hiesige, die meisten jedoch von der Großen Syrte. Es war zwar Mittagszeit, aber es ging um Stunden, deshalb bekamen sie kalte Verpflegung aus dem Büfett, und so begannen die Beratungen bei Tee und Imbiß, was dem Ganzen einen inoffiziellen, fast unseriösen Anstrich gab. Der Vorsitzende, Ingenieur Hoyster, bat zuerst Pirx um eine Schilderung der Katastrophe, und der konnte sich denken, warum. Er war der einzige über jeden Zweifel erhabene unparteiische Zeuge, denn er gehörte weder zum Kollektiv der Flugkontrolleure noch zur Besatzung des Agathodaemons. Als Pirx auf sein eigenes Eingreifen zu sprechen kam, wurde er zum erstenmal von Hoyster unterbrochen.
    »Also Sie wollten Klyne dazu bewegen, die gesamte Automatik außer Betrieb zu setzen und zu versuchen, von Hand zu landen. Ist das richtig?«
    »Ja.«
    »Und darf man erfahren, warum?«
    Pirx zögerte nicht mit der Antwort: »Ich hielt es für die einzige Chance.«
    »So. Aber mußten Sie nicht annehmen, daß der Übergang auf Handsteuerung einen Stabilitätsverlust nach sich ziehen konnte?«
    »Die war schon verloren. Das kann man übrigens nachprüfen; es gibt ja die Bänder.«
    »Natürlich. Wir wollten uns zuerst einen allgemeinen Eindruck verschaffen. Was ist Ihre persönliche Meinung?«
    »Über die Ursache ...?«
    »Ja. Denn bevor wir mit den Beratungen beginnen, müssen wir Informationen sammeln. Wir legen nicht jedes Wort auf die Goldwaage, aber jede Vermutung kann sich als wertvoll erweisen, und sei sie auch noch so gewagt.«
    »Verstehe. Mit dem Computer ist etwas passiert. Ich weiß nicht was, und ich weiß ebensowenig, wie das möglich war. Wäre ich nicht

Weitere Kostenlose Bücher