Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
 Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
Zeuge gewesen, ich hätte es nicht geglaubt, aber ich war dabei und habe alles gehört. Er hat das Manöver abgebrochen und Meteoritenalarm gegeben, wenn auch nur andeutungsweise. Es klang ungefähr wie ›Meteoriten – Achtung, mit voller Leistung axial voraus‹. Aber da keine Meteoriten da waren ...« Pirx hob die Schultern und brach ab.
    »Dieses Modell, mit dem ›Ariel‹ ausgestattet war, ist eine verbesserte Version des Computers AIBM 09«, bemerkte Boulder, ein Elektroniker, den Pirx von flüchtigen Begegnungen auf der Großen Syrte kannte. Pirx nickte.
    »Ich weiß. Deshalb sage ich ja, daß ich es nicht glauben würde, hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen. Aber es ist passiert.«
    »Und was meinen Sie, Kommandant: Warum hat Klyne nichts unternommen?« fragte Hoyster. Pirx spürte plötzlich eine innere Kälte und schaute in die Runde, ehe er antwortete. Diese Frage mußte natürlich kommen. Doch er hätte es vorgezogen, sie nicht als erster beantworten zu müssen.
    »Das weiß ich nicht.«
    »Sicher. Aber Ihre langjährige Erfahrung gestattet Ihnen, sich an seine Stelle zu versetzen ...«
    »Das habe ich schon versucht. Ich hätte das gemacht, wozu ich ihm raten wollte.«
    »Und er?«
    »Es kam keine Antwort. Geräusche. Wie Schreie. Man wird die Bänder sehr aufmerksam abhören müssen, aber ich fürchte, daß nicht viel dabei herauskommt.«
    »Herr Kommandant«, sagte Hoyster leise, aber ungewöhnlich langsam, als wählte er sorgfältig jedes Wort, »Sie sind über die Situation informiert, nicht wahr? Zwei weitere Einheiten derselben Klasse, mit demselben Steuersystem ausgestattet, befinden sich gegenwärtig auf dem Kurs Terra-Ares. ›Ares‹ wird in sechs Wochen eintreffen, ›Anabis‹ schon in einer Woche. Selbstverständlich sind wir den Opfern verpflichtet, aber noch größer ist unsere Verantwortung für die Lebenden. Zweifellos haben Sie während der letzten fünf Stunden über das Vorgefallene nachgedacht. Ich kann Sie nicht dazu zwingen, aber ich bitte Sie, uns Ihre Überlegungen mitzuteilen.«
    Pirx fühlte, daß er blaß wurde. Was Hoyster sagen wollte, hatte er schon aus dessen ersten Worten erraten, und der seltsame Eindruck aus dem nächtlichen Traum war sofort wieder gegenwärtig: das Gefühl der wütenden, verzweifelten, stummen Anstrengung, mit der er gegen einen Gegner ohne Gesicht gekämpft hatte, ohne ihn zu besiegen, und danach mit ihm zusammen umgekommen war. Es war nur ein Augenblick. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt und konnte Hoyster in die Augen blicken.
    »Ich verstehe«, sagte er. »Klyne und ich gehören zwei verschiedenen Generationen an. Als ich zu fliegen anfing, war die Zuverlässigkeit der Automaten bedeutend geringer. Das wirkt sich auf das Verhalten aus. Ich glaube ... er hat ihnen restlos vertraut.«
    »Er war der Ansicht, daß der Computer einen besseren Überblick hatte? Daß er Herr der Situation war?«
    »Er mußte nicht unbedingt damit rechnen, daß er Herr der Situation war, nur ... wenn der Computer es nicht schaffte, konnte ein Mensch erst recht nicht dazu imstande sein.« Pirx atmete auf. Er hatte gesagt, was er dachte, ohne den Schatten eines Vorwurfs auf den Jüngeren zu werfen, der nicht mehr am Leben war.
    »Gab es denn Ihrer Meinung nach Chancen zur Rettung des Raumschiffs?«
    »Ich weiß nicht. Es war wenig Zeit. ›Ariel‹ hatte fast völlig die Geschwindigkeit verloren.«
    »Sind Sie je unter solchen Bedingungen gelandet?«
    »Ja. Aber mit Raumschiffen von geringerer Masse – und auf dem Mond. Je länger und schwerer eine Rakete ist, desto schwieriger ist es, die Stabilität bei Absinken der Geschwindigkeit wiederherzustellen, besonders wenn schon eine Neigung eingetreten ist.«
    »Hat Klyne Sie gehört?«
    »Das weiß ich nicht. Aber er müßte.«
    »Hat er die Steuerung übernommen?«
    Pirx lag die Antwort auf der Zunge, daß dies aus den Aufzeichnungen hervorgehen müßte, aber statt dessen sagte er: »Nein.«
    »Woher wissen Sie das?« Das fragte Romani.
    »Aus dem Kontrollapparat. Die Lampe für automatische Steuerung‹ leuchtete die ganze Zeit und ging erst aus, als das Raumschiff zerschellte.«
    »Halten Sie es für möglich, daß Klyne keine Zeit mehr hatte?« fragte Seyn. Seltsam, sie waren doch per du. War plötzlich eine Distanz zwischen ihnen entstanden, Feindseligkeit?
    »Die Situation kann auf mathematischem Wege rekonstruiert werden, und dann wird sich zeigen, ob es eine Chance gab.« Pirx bemühte sich, sachlich

Weitere Kostenlose Bücher